Qualität in der Lehre braucht genügend Personal in gesicherten Arbeitsverhältnissen!
Im August 2022 wurde bekannt, dass an der Uni Würzburg 57 akademische Stellen in der Hochschulbildung gestrichen werden (die Mainpost berichtete am 08.08.). Die Fakultät für Humanwissenschaften und damit auch die Lehramtsausbildung ist besonders betroffen.
Der Stellenabbau verschlechtert die Arbeitsbedingungen der meisten Dozent:innen, die aufgrund der befristeten Verträge ohnehin unter Druck stehen. Auch für die Studierenden wird es enger: Auslandsstudien sind erschwert oder werden gestrichen, Seminare werden nicht mehr angeboten, der ohnehin schon bestehende Numerus Clausus im Grundschullehramt und in der Psychologie droht sich zu verschärfen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kündigt daher für den 13.10. ab 11 Uhr eine Protestkundgebung am Standort der Fakultät für Humanwissenschaften am Wittelsbacherplatz an.
Monika Hartl, Vorstandsvorsitzende der GEW Unterfranken dazu: „Es fehlen jetzt schon fast 300 Lehrer*innen in Unterfranken, Sonderpädagog*innen und Grundschullehrer*innen fallen ja nicht vom Baum!“
Für die Schulen, die bereits mit chronischem Lehrkräftemangel und den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben, ist das ein weiterer Tiefschlag.
Im August 2022 wurde bekannt [1], dass die Universität Würzburg infolge einer Neuregelung der bayerischen Hochschulfinanzen 57 Stellen im wissenschaftlichen Betrieb ab Beginn des Jahres 2023 verlieren soll. Hierbei handelt es sich um so genannte Ausbaustellen, die parallel zum Ausbau der Studienplätze geschaffen wurden. Die Kürzungen betreffen im Speziellen die Universität Würzburg, während andere Hochschulen in Bayern, die von der Neuregelung betroffen sind, zum Teil sogar davon profitieren.
Grundlage für den Personalabbau in Würzburg ist eine Veränderung der Bewertungsmaßstäbe, an welche die Stellen aus den Ausbauprogrammen geknüpft sind. Während zuvor die Anzahl an Studienanfänger:innen für die Zuweisung der Personalmittel maßgeblich waren, zählen diese nur noch zu 20%. Weitere 20% entfallen auf die erreichten ECTS-Punkte und 60% auf Studienabschlüsse innerhalb der Regelstudienzeit. Dies schafft den Anreiz, möglichst viele Studierende durch die Lehrveranstaltungen zu „schleusen“, damit sie den angestrebten Abschluss in der ohnehin bereits zu knapp bemessenen Regelstudienzeit schaffen. Daraus folgt ein massiver Qualitätsverlust in der Hochschullehre und der Druck auf die Studierenden, möglichst schnell ihr Studium abzuschließen, wird erhöht. Studierende aus einkommensschwachen Haushalten werden darunter am meisten leiden, da diese oft neben dem Studium einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen. Darüber hinaus werden Auslandsaufenthalte erschwert, da die dort erworbenen Punkte nicht mehr auf das Studiendeputat der Universität Würzburg angerechnet werden. In einigen Studiengängen führen die aktuellen Kürzungen voraussichtlich dazu, dass das ERASMUS-Programm bereits zum Sommersemester 2023 eingestellt werden muss.
Auf die Beschäftigten im Mittelbau hat der Stellenabbau eine verheerende Wirkung. Da es sich bei den gestrichenen Ausbaustellen ausschließlich um befristete Stellen handelt, führt dies bei den Betroffenen zu einer noch größeren Unsicherheit hinsichtlich ihrer beruflichen Perspektiven. Auf einzelne kann das lähmend wirken und beispielsweise dazu führen, dass sie ihre Promotion abbrechen müssen. Da es neben der Professur kaum dauerhafte und attraktive Perspektiven für Wissenschaftler:innen in Bayern gibt und die Lehrtätigkeit von Bewerber:innen in Berufungsverfahren im Vergleich zur Forschungsreputation wenig gewürdigt wird, erhöht das den Druck auf die Beschäftigten, möglichst viele Forschungsergebnisse zu publizieren und die Lehre im Zweifel zu vernachlässigen. Gute Lehre lässt sich unter diesen Bedingungen kaum noch realisieren. Diejenigen, die vom Stellenabbau ganz oder teilweise verschont bleiben, müssen hingegen mit einer unverantwortlichen Mehrarbeit rechnen, da die Studierendenzahlen (zumindest kurzfristig) gleich bleiben. Auch das wird auf Kosten der Qualität von Hochschulbildung gehen. Um den Betreuungsbedarf der Studierenden zu decken, werden mehr Beschäftigte als bisher dazu gezwungen, Vollzeitarbeit mit einer Teilzeitvergütung zu leisten – oder es werden mehr prekäre Beschäftigungen in Form von Lehraufträgen geschaffen. Beide Maßnahmen stehen im diametralen Gegensatz zu den Zielen der GEW an den Hochschulen, wie sie seit mehr als 10 Jahren im Templiner Manifest verankert sind [2].
Die Neuregelung der Berechnungsgrundlage für die Ausbaustellen ist Teil eines umfassenden Umstrukturierungsprogramms, das sich die aktuelle Staatsregierung für bayerischen Hochschulen vorgenommen hat. Der Stellenabbau in Würzburg ist im selben Kontext zu sehen wie das im Juni 2022 beschlossene Bayerische Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG), zu dem die GEW bereits mehrfach kritisch Stellung bezogen hat [3]. Im Sinne der „unternehmerischen Hochschule“ soll der Konkurrenzdruck erhöht werden: Die Hochschulen sollen darum konkurrieren, wer die meisten (ökonomisch verwertbaren) Abschlüsse in möglichst kurzer Zeit produziert – und innerhalb der Hochschule sollen die Fachbereiche, Lehrstühle und Beschäftigten noch mehr als bisher darum konkurrieren, wer die meisten Forschungsergebnisse publiziert und die meisten Drittmittel einwirbt.
Auch die Umsetzung des Kürzungsprogramms in Würzburg, für welche sich in erster Linie die Universitätsleitung zu verantworten hat, steht im Einklang mit dem Ökonomisierungs-Programm der Staatsregierung: Es sind nämlich die Philosophische Fakultät und die Fakultät für Humanwissenschaften am stärksten vom Stellenabbau betroffen. Beide Fakultäten beherbergen so genannte „kleine Fächer“ wie beispielsweise Altorientalistik, Museologie oder Kunstpädagogik, die in einer ökonomisierten Hochschule aufgrund ihrer fehlenden Attraktivität für Drittmittelgeber erheblich gefährdet wären und daher besonders geschützt werden müssen [3]. Die geplanten Kürzungen sind hier besonders verheerend, da diese Fächer aufgrund fehlender Drittmittelprojekte mehr als andere auf interne, für die Lehre vorgesehene Gelder angewiesen sind. Wird hier am Lehrdeputat gespart, ist die gesellschaftliche Vielfalt in Gefahr.
An der Fakultät für Humanwissenschaften sind unter anderem die Lehramtsausbildung und die Psychologie beherbergt. Beide Bereiche sind nicht nur stark von Studierenden nachgefragt, sondern führen auch zu Berufsabschlüssen, nach denen die Gesellschaft händeringend sucht. Ein Kahlschlag in diesem Fachbereich wird unweigerlich zu einem Attraktivitätsverlust der betroffenen Studiengänge und damit auch zu einem Rückgang der Abschlüsse führen. Angesichts der multiplen Gesundheits-, Energie- und Klimakrise von heute, die den Menschen auch seelisch schwer zusetzt, ist es unverantwortlich, an der Ausbildung von Psycholog:innen zu sparen. Ebenso katastrophal ist der Personalabbau im Lehramtsbereich, denn dieser wird den gravierenden Lehrkräftemangel an bayerischen Schulen weiter verschärfen. Die schulische Ausbildung der Kinder und Jugendlichen in Bayern wird über den bisherigen Mangel hinaus zusätzlich bedroht, die Bildungsziele des Freistaates werden so kaum noch zu erreichen sein.
Nicht zuletzt ist der eklatante Mangel an Beteiligungsmöglichkeiten bei diesem Verfahren zu kritisieren. Die Neuregelung wurde vom Wissenschaftsministerium gemeinsam mit den Hochschulleitungen beschlossen und von Letzteren umgesetzt. Die davon betroffenen Mitarbeiter:innen haben erst im Nachhinein in der Zeitung davon erfahren [1]. Viele von ihnen hätten sich einen Präsidenten gewünscht, der sich wirksam gegen den destruktiven Plan des Ministeriums gestellt hätte, anstatt ihn willfährig umzusetzen und ihnen damit in den Rücken zu fallen. Auch das ist im Kontext des BayHIG zu sehen, wonach die Hochschulleitungen noch mehr Machtbefugnisse bekommen als bislang. Die GEW kritisiert diesen Umstand [3] ebenso wie die Wahl der Hochschulleitung, die gerade in Bayern wohl kaum als demokratisch bezeichnet werden kann [4]. Es entsteht der Gesamteindruck, die Staatsregierung wolle mit ihrem „Innovationsgesetz“ den Demokratiemangel an den bayerischen Hochschulen fortsetzen und weiter verschärfen, damit sie unliebsame Beschlüsse wie zuletzt die Neuregelung der Ausbaufinanzierung, ohne ernsthafte Widerstände durchdrücken kann – auf wie hinter dem Rücken des wissenschaftlichen Personals und der mittelbar ebenfalls davon betroffenen Studierenden.
Als Gewerkschaft können und dürfen wir dieses Vorgehen nicht länger dulden. Wir rufen die Beschäftigten und Studierenden der Universität Würzburg und aller anderen Hochschulen in Bayern zum Protest auf! Vom Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume, fordern wir, die Neuregelung der Ausbaufinanzierung an den Hochschulen und die damit verbundenen Personalkürzungen an der Universität Würzburg zurückzunehmen. Ebenso fordern wir den Präsidenten der Universität Würzburg, Prof. Dr. Paul Pauli, zur solidarischen Unterstützung dieses Anliegens auf.
Darüber hinaus bekräftigen wir unsere hochschulpolitischen Forderungen [2, 3]. Vor allem:
- die endgültige Abkehr vom Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“, hin zu einem gemeinnützigen Hochschulwesen, in dem sich Forschung und Lehre frei entfalten können!
- eine gesetzlich verankerte und im Vergleich zu heute deutlich angehobene Grundfinanzierung der Hochschulen!
- Dauerstellen für Daueraufgaben – tarifvertraglich geregelte und langfristige Arbeitsverträge für alle Beschäftigten in Lehre und Forschung!
- mehr Demokratie an den Hochschulen in Bayern! Dazu gehören die Stärkung der akademischen Selbstverwaltung (v.a. des Senats) gegenüber der Hochschulleitung, die paritätische Beteiligung aller Statusgruppen an der Selbstverwaltung und die Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaft.
[2] https://www.gew.de/mein-arbeitsplatz/wissenschaft/templiner-manifest/templiner-manifest-text
[4] https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/zwischen-partizipation-und-folklore