GEW Sommer-Seminar 2005 |
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Seminarleitung: |
Reinhard Frankl |
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Seminarort |
Heimbuchenthal, Hotel Christel |
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Referent |
Dr. Werner Sauerborn, Stuttgart | ||||||||||
Beginn |
Samstag, 30. Juli 2005,10.00 Uhr Sonntag, 31. Juli 2005, gegen 16.00 Uhr |
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Gewerkschaften in der
Globalisierungsfalle Vorwärts zu den Wurzeln! Sachbericht Die zentrale Fragestellung von Riexinger und Sauerborn lautet: Wie kommen die Beschäftigtenorganisationen aus der Krise? Die Gewerkschaften sind organisatorisch und politisch in der Defensive. Diese allseits bekannte Tatsache nehmen die baden-württembergischen ver.di-Funktionäre Bernd Riexinger und Werner Sauerborn zum Anlass, Situation und Perspektiven der hiesigen und internationalen Gewerkschaftsbewegung kritisch zu reflektieren. In der kürzlich als Supplement der Zeitschrift Sozialismus erschienenen Broschüre »Gewerkschaften in der Globalisierungsfalle« fordern sie eine offene Auseinandersetzung mit der gewerkschaftlichen Krise, deren Diagnose von vielen »auch nach 20 Jahren Sinkflug standhaft zurückgewiesen« werde. Werner Sauerborn referierte im Wesentlichen den Inhalt dieser Broschüre. Er strukturierte ihn in 7 Schritte verteilt auf drei Blöcke.
Die »tiefer liegenden Gründe« für den Niedergang ihrer Organisationen sehen die beiden Gewerkschafter in den durch die globalisierte Ökonomie verursachten Veränderungen, auf die man nicht adäquat reagiert habe. Dadurch, dass sich das Kapital nationalstaatlicher Regulation entziehe, verliere »der von Arbeiter- und Sozialbewegungen erkämpfte Sozialstaatskompromiss seine Grundlage«, stellen die Autoren fest. Anstatt den »kooperatistischen Weg des Standortwettbewerbs« mitzugehen und »indirekt zum Komanager des Sozialabbaus« zu werden, müssten die Gewerkschaften »ihre Gegenmachtfunktion wiedergewinnen«, argumentieren sie. Dafür müssten sich die Beschäftigtenorganisationen sowohl »politisch neu, nämlich autonom und radikal interessenbezogen formieren«, als auch »entlang der veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen langfristig, aber grundlegend neu strukturieren«. Bei den Spitzen der Gewerkschaften ver.di und IG Metall machen Riexinger und Sauerborn eine Entwicklung »nach links, in Richtung einer regierungsunabhängigen Gewerkschaftspolitik« aus. Allerdings stehe der fortschrittlichen Rhetorik eine oftmals deutliche Mobilisierungsschwäche gegenüber. Die beiden Funktionäre verweisen in diesem Zusammenhang auf einen eklatanten Widerspruch: »Während auf der Metaebene vertreten wird, daß Verzicht keine neuen Arbeitsplätze schaffe, die wirtschaftliche Krise vielmehr verschärfe, organisieren die Gewerkschaften faktisch in der praktischen Betriebs- und Tarifpolitik permanente Kompensationsgeschäfte, die genau das beinhalten.« Dieses Vorgehen reiße »eine fundamentale Glaubwürdigkeitslücke und ist Teil der gewerkschaftlichen Schwäche«, so ihr Fazit. Die Handlungsspielräume könnten unter den gegebenen Bedingungen »weder durch Anpassung noch durch einen Flickflack zwischen gewerkschaftlicher Einbindung und Autonomie ausgeschöpft werden«, meinen Riexinger und Sauerborn. Statt dessen plädieren sie für »eine konfliktbereite, eigenständige Gewerkschaftspolitik, die zugleich die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit transparent macht und sich einer zukunftsorientierten Diskussion über diese Begrenzungen und die Chancen ihrer Überwindung stellt.« Inhaltlich dürften die Positionen nicht »beim linkskeynesianistischen Credo der Nachfragestärkung stehenbleiben«, fordern sie. Ein Alternativprogramm werde nur Durchschlagskraft entwickeln, »wenn es auch Ansätze von grundlegender Kritik an der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise enthält, deren Destruktivkräfte in Frage stellt und den Fetisch von Markt-Wettbewerb und Profitmaximierung entzaubert«. Als einzigen Ausweg aus der »Existenzkrise« der Gewerkschaften sehen die Autoren deren Internationalisierung. Sie schreiben: »Der neuen ökonomischen Realität folgend werden sich die Arbeitskraftanbieter wieder Strukturen schaffen müssen, mit denen sie ... entlang der Wirtschafts- und Branchengrenzen, die sich um nationalstaatliche Grenzen immer weniger scheren, das Prinzip des Konkurrenzausschlusses wieder in Kraft setzen können.« (Artikel aus junge welt, 09.11.2004, Daniel Behruzi) Die Generalaussprache erfolgte in Form eines Rollenspieles, das in vier Arbeitsgruppen vorbereitet wurde. (aus der Sicht des Podiums von rechts nach links )
Auch Experten aus dem Publikum durften Fragen stellen Im "Problemkörbchen"(Pinnwand) landeten die verbliebenen offenen Fragen .. · Global Unions – Utopie oder Nachholbedarf?· Gewerkschaften weltweit zu unterschiedlich ?· Heißt Global Unions gleicher Lohn für alle?· "In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind Gewerkschaften immer schwach – das hat nichts mit Globalisierung zu tun!"· "Die Gewerkschaften sind in der Krise, weil ihnen der politische Arm fehlt!" -> Linkspartei!!?· Soziale Bündnisse und/oder Global Unions?· "In anderen Ländern funktioniert es doch auch, wir müssen nur eine andere Politik machen!"· Die Bedingungen in Betrieben des öffentlichen Dienstes sind anders als auf dem freien Markt!Sie wurden nach dem dritten Block am Sonntag
und der Darstellung der Arbeitsergebnisse aus den drei Arbeitsgruppen nochmals diskutiert.
Fazit: Das Beispiel ITF, das W. Sauerborn als wegweisend für alle anderen Gewerkschaften aufzeigt, ist sicherlich nicht 1:1 zu übertragen. An einer Internationalisierung der Gewerkschaftsbewegung geht aber vor dem Hintergrund des weltumfassenden Kapitalismus (Globalisierung) und seinen erpresserischen Auswirkungen auf die konkreten betrieblichen Auseinandersetzungen mit Sicherheit kein Weg vorbei. Möglicherweise stehen wir dabei vor ähnlich großen Hindernissen, wie diejenigen, die vor 150 Jahren mit dem Prinzip "Solidarität" gegen die Taktik der Unternehmer, "Konkurrenz" unter den einzelnen Arbeitern für den Lohndruck auszunutzen, nationale Gewerkschaften aufgebaut haben. Auch damals erschienen die Probleme unüberwindbar, auch damals wurden sie nach und nach gelöst. Heute werden eben die abhängig Beschäftigten nicht mehr nur auf einem nationalen Markt gegeneinander in Konkurrenz gehetzt, um Lohndumping zu ermöglichen. Mit der Internationalisierung der Märkte und der Deregulierung nationaler Schutzbestimmungen müssen sich die betrieblichen und die gewerkschaftlichen Organisationen der abhängig Beschäftigten nicht nur global koordinieren, ihre Arbeitskämpfe müssen regelrecht synchronisiert werden. Was nicht bedeutet, dass gleich in den ersten Schritten die Lohnforderungen gleich lauten müssen. Hier scheint ohnehin ein Umdenken von egalitärer hin zu solidarischer Lohnpolitik (Schulten) angesagt. Auf die Erfahrungen der sozialen und globalisierungskritischen Bewegungen mit ihren weltumfassenden Foren und Aktionen, aber auch auf die Kontakte und Projekte der bestehenden Dachverbände der "global Unions" ("Brückenköpfe") kann bei diesem Prozess bereits zurückgegriffen werden. Bessenbach, 01.08.2005 Reinhard Frankl Das Sommerseminar bietet natürlich auch immer Möglichkeiten zu Entspannung, Erholung und informellem Informationsaustausch. Global Unionists vor dem Spukschloss im Spessart im rötlich tönenden Abendlicht. |
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