WARNSTREIK im Öffentlichen Dienst: Rund 400 Beschäftigte
versammelten sich am Montag auf dem Aschaffenburger Stiftsplatz, um gegen
drohende Einbußen zu potestieren.
Arbeiter im
Öffentlichen Dienst streiken: »Wir sind die Sparschweine der
Nation«
Nach Warnstreik in Aschaffenburg planen die Gewerkschaften größere
Aktionen im Tarifstreit
Aschaffenburg. »So 'n Ding ist im Leben noch nicht gelaufen«,
bemerkte beim Warnstreik am Montag ein Müllmann in orangefarbener
Arbeitskluft. Angesichts drohender Einbußen bei den Rechten der Arbeiter
sah sich die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr
(ÖTV) gezwungen, mit großem Aufgebot für ihre Forderungen
einzutreten: Müllautos und Kehrmaschinen säumten die Dalbergstraße
auf dem Stiftsberg am Aschaffenburger Rathaus, zur Kundgebung auf dem Stiftsplatz
versammelten sich 400 Streikende.
Georg Liebl, Geschäftsführer der ÖTV Aschaffenburg, verstand
den Warnstreik als »bundesweite Warnung an die Arbeitgeber, die vom
Einkommen nichts rausrücken«. Es sei »überhaupt nicht
einzusehen, daß die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes
die Sparschweine der Nation sind«. Ein Beitrag der Arbeitgeber zur
Beschäftigungssicherung stehe noch aus, zusätzlich würden
die Arbeiter noch mit Streichungen belastet.
Inflationsausgleich gefordert
Den Wegfall der Überstundenzuschläge etwa bezeichnete Liebl als
»Sauerei«. Auch werde die Gewerkschaft gegen die gekürzte
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Erhöhung der wöchentlichen
Arbeitszeit von bisher 38,5 auf 40 Stunden und Verluste in der Zusatzversorgung
eintreten. Liebl forderte einen Inflationsausgleich um zwei Prozent, ohne
den das Realeinkommen der Arbeitnehmer sinke. Die Arbeitgeber müßten
im Rahmen der Tarifverträge eine Altersteilzeit etablieren und Auszubildenden
die Übernahme in Betriebe garantieren, um so neue Arbeitsplätze
zu schaffen.
»Die Arbeitslosenzahlen haben ein Rekordhoch der Nachkriegszeit
erreicht, und trotzdem sagt man euch, ihr müßt verzichten
das ist eine Riesenschweinerei«, wandte sich Dieter Imhof, IGM-Gewerkschafter
bei der Firma Linde, an die Streikenden.
Mitarbeiter enttäuscht
Auch ÖTV-Kreisvorsitzende Erika Haas stellte die Kürzungen in
Frage: »Hochleistungsarbeit im Öffentlichen Dienst wird bestraft
mit welchem Engagement sollen wir da noch kranken Menschen helfen?«
Als Personalratschefin des Aschaffenburger Klinikums berichtete sie über
die Enttäuschung von 1500 Mitarbeitern.
»Es kann nicht sein, daß Politiker Gesetzesänderungen
zum Nachteil der arbeitenden Bevölkerung in dieser Republik treffen,
während die Konjunktur nur vom Export getragen wird. Jeder von uns
merkt das am Geldbeutel deshalb wollen wir Seite an Seite für
mehr Lohn kämpfen«, so Gerhard Wick, Bevollmächtigter der
Industriegewerkschaft Metall (IGM).
Albrecht Sylla von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
trat für die Interessen der Beamten ein: »Es geht uns in erster
Linie um den Erhalt von Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst.
Aber wir werden auch denen auf die Finger hauen, die in unsere Taschen
greifen. Das Argument, die Öffentliche Hand habe kein Geld, ist beliebt,
um jede Forderung in den Wind zu schlagen.« Manfred Pranghofer
betonte als stellvertretender ÖTV-Kreisvorsitzender, daß die
Gesamtforderung von 4,5 Prozent im Tarifstreit nicht zu hoch gegriffen
sei: »Wir stellen gerechte Forderungen. Seit 1991 wird der Geldbeutel
immer leerer jetzt muß Bundesinnenminister Kanther ein faires
Angebot machen.«
Die Arbeitnehmer bekannten sich zum Anliegen ihrer Gewerkschaft: In
Aschaffenburg beteiligten sich Mitarbeiter der Stadtwerke, des Umwelt-
und Tiefbauamtes und der Gärtnerei am Warnstreik. Das Klärwerk
der Stadt lief nur im Notbetrieb weiter. In Erlenbach (Kreis Miltenberg)
blieben am Montag bis 10 Uhr die Kindergärten in der Brückenstraße
und in der Fröbelstraße sowie der städtische Bauhof geschlossen.
Das Kindergartenpersonal schloß sich der Kundgebung in Aschaffenburg
an.
Warnstreik der Busfahrer
Nachdem in München und Nürnberg der Nahverkehr bereits
gestern stillstand, wollen sich heute auch die Aschaffenburger Busfahrer
am Warnstreik in der Hefner-Alteneck-Straße beteiligen. Sie seien
»das ganze Jahr um kundenfreundliche Dienstleistung bemüht«,
hieß es in einem Flugblatt an die Fahrgäste. Der laufende Tarifstreit
lasse aber »den Beschäftigten keine andere Wahl, als zu streiken«.
Die Busse fahren daher erst nach 8.15 Uhr.
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Georg Liebl (ÖTV) bat die Bevölkerung um »Verständnis
für die Unannehmlichkeit, die der Streik mit sich bringt«. Liebl
befürchtete das Scheitern der Tarifverhandlungen und ging davon aus,
daß dem Warnstreik eine längere Arbeitsniederlegung folgen wird.
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MÜLLAUTOS versperrten die Straße am Kundgebungsort. Auch
so wollten die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ihren Protest
artikulieren.