Pressemitteilung 13.01.03

GEW-Veranstaltung zur Vorschulerziehung

"Die ersten sechs bis sieben Jahre eines Kindes sind die entscheidenden Bildungsjahre im Leben eines Menschen. Bloß leider wissen das viele deutsche Bildungspolitiker nicht - oder es ist ihnen egal", Gudrun Lehmann, stellvertretende Landesvorsitzende der bayerischen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) äußerte sich sehr kritisch zur Vorschulerziehung in Deutschland auf einer Veranstaltung der GEW Aschaffenburg-Miltenberg. 

In der PISA-Studie erhielt die Erziehung in den deutschen Kindertagesstätten eine insgesamt nur sehr mäßige Bewertung. Dagegen lautet in Finnland, das den zweiten Platz in der Studie belegt, die Devise "Auf den Anfang kommt es an". Dementsprechend genießt hier die Vorschule oberste Priorität. In der Regel unterrichten bis zu zwei Vorschullehrer und eine Assistentin 15 Kinder. Fast hundert Prozent der Kinder besuchen inzwischen die freiwillige Vorschulklasse. Vor dieser Klasse null gibt es Kindergärten, in denen durchweg akademisch ausgebildete Lehrer arbeiten. Auch finanziell werden die jüngsten Schüler Finnlands weit stärker als die deutschen gefördert. Fast 5000 Euro ist den Finnen im Jahr ein Grundschüler wert, den Deutschen nur etwa 3500 Euro. "Die finnischen Politiker nehmen es sehr ernst, dass vor allem in der frühen Kindheit die Weichen für die Bildungschancen eines Menschen gestellt werden - und sie befinden sich offensichtlich auf dem richtigen Weg", beurteilte Lehmann das finnische Vorschulkonzept. Die finanzielle Unterstützung deutscher Kindergärten durch den Staat beträgt nur 0,38 % des Bruttosozialprodukts gegenüber einem europäischen Durchschnitt von 1 %. Dies ist für Lehmann nicht nur bildungspolitisch kurzsichtig sondern auch ökonomisch falsch. Sie rechnete den Besuchern der Veranstaltung vor, dass jeder für die Vorschulerziehung investierte Euro schon durch die nur so mögliche Schaffung oder Erhaltung der Arbeitsverhältnisse von Müttern einen drei- bis vierfachen gesamtwirtschaftlichen Nutzen mit sich bringt. Der Sozioökonom und Unternehmensberater McKinsey setzt als notwendige Ausgaben für eine Vorschulerziehung auf internationalem Niveau 4 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland an. Auf Bayern bezogen müsste der Freistaat seine finanziellen Aufwendungen von derzeit knapp 400 Euro auf etwa 800 Euro verdoppeln. "Die zurückgehenden Kinderzahlen könnten eine besondere Chance sein, nun die Qualität der Vorschulerziehung weiter zu verbessern", erklärte Lehmann. Sie denkt dabei vor allem an kleinere Gruppengrößen und garantierte Verfügungsstunden für das Kindergartenpersonal zur dringend notwendigen Vor- und Nachbereitung. Da sie selbst Erzieherin ist, begegnet sie jeden Tag zunehmenden Problemen bei Kindern. Besonders auffällig ist für sie die deutlich abnehmende Sprachkompetenz, deren Ursache sie sowohl in familiären als auch gesamtgesellschaftlichen Bedingungen sieht. Dieser Entwicklung muss ihrer Meinung nach im Kindergarten bewusst entgegengewirkt werden. "Allerdings erfordert das von den Erzieherinnen ein weit höheres Maß an Einsatz für jedes einzelne Kind. Bei den heutigen Gruppengrößen ist dies aber beim besten Willen nicht zu leisten." Außerdem sei grundsätzlich eine stärkere Kooperation zwischen Eltern und Kindergartenpersonal durch z.B. intensive, regelmäßige Elterngespräche, Elternabende u.ä. notwendig. Dies müsse natürlich auch in den Arbeitszeiten für das Kindergartenpersonal berücksichtigt werden. Weiter wünscht sie sich eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Kindergärten und Grundschulen. "Kindergärten leisten nicht mehr nur Betreuungsaufgaben sondern haben einen zunehmenden Anteil am Bildungsprozess der Kinder", so Lehmann. Die oft mehrjährigen Beobachtungen zur Persönlichkeit und dem Lernverhalten der Vorschulkinder böten den nachfolgenden Grundschullehrern wertvolle Hilfen. Genauso könnte eine kontinuierliche, gegenseitige Transparenz den Übergang vom Kindergarten in die Schule enorm erleichtern. "Bildung findet nicht in voneinander getrennten Schuhschachteln statt", gab sie zu bedenken

------------------------------------------------- 
Martin Hahn, Sandwiesenstr.19, 63776 Schimborn
Tel: 06029-995104
E-Mail:  m-hahn@t-online.de