GEW: Offene Schule braucht Sozialarbeit

"Eine offene Schule braucht Sozialarbeit. Wie kann sie aussehen?" Zu diesem Thema führte der Kreisverband Aschaffenburg-Miltenberg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine öffentliche Veranstaltung durch. Es referierte Petra Grundmann, Sozialpädagogin an der Berufsschule Nürnberg und stellvertretende Vorsitzende der GEW Bayern.

Hintergründe und Zielsetzungen der Schulsozialarbeit ergeben sich nach Petra Grundmann aus den Veränderungen der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten. Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie familiäre Strukturen haben sich in teilweise dramatischer Weise gewandelt. Die Anforderungen an Kinder und Jugendliche in der Gesellschaft werden zunehmend unübersichtlicher und komplizierter. Dabei erhalten sie von zuhause oft nur wenig Unterstützung und Orientierung. Die Schule muss deshalb zusätzliche erzieherische, manchmal fast therapeutische Aufgaben mitbewältigen, die sie im Grunde überfordern. Von ihrem Lehrauftrag her hat Schule vorwiegend kognitive Leistungen zu vermitteln, ohne dass Lehrerinnen und Lehrer ausreichend auf die individuellen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen eingehen können. Dabei bringen diese ihre außerschulischen Erfahrungen, ihre soziale Situation und ihre persönlichen und familiären Schwierigkeiten in die Schule mit, die dort vielfach als Unterrichtsstörungen wahrgenommen werden. Ein hilfreicher Umgang damit ist im Unterricht nur selten möglich.

Petra Grundmann stellte fest: "Es ist wichtig, Kinder und Jugendliche möglichst frühzeitig zu unterstützen, um ihre schulische und persönliche Entwicklung positiv zu beeinflussen. In der Schule entscheidet sich ihr weiterer Lebensweg. Hier wird ausgewählt, welchen Platz sie später in der Gesellschaft einmal einnehmen. Eine Schule, die sich nicht nur als reine Lernschule begreift, muss auf die zunehmenden Probleme von Kindern und Jugendlichen Antworten finden."

Eine außerordentlich hilfreiche Antwort sieht sie in der Schulsozialarbeit und betont, dass darunter nur die beständige, zielgerichtete Einbeziehung von Sozialarbeiterinnen und -arbeitern in Schulen zu verstehen ist. Schulsozialarbeit ist dabei als Bindeglied zwischen Schule, Jugendhilfe und Gemeinwesen zu sehen. Sie richtet sich an Schüler, an ihre Familien, an Lehrerinnen und Lehrer sowie alle am Schulleben direkt oder indirekt Beteiligten.

In der Praxis bedeutet dies, dass Schulsozialarbeiterinnen und –arbeiter während ihrer Präsenzzeiten an den Schulen als Gespächspartner und Vermittler für Kinder, Jugendliche, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen. Als typische Tätigkeitsfelder für die Schulsozialarbeit nannte Petra Grundmann:

Wichtige Voraussetzung der Arbeit von Sozialarbeiterinnen und –arbeitern an Schulen muss nach Einschätzung Petra Grundmanns sein, dass sie präventiv, unterstützend, vertraulich, für alle Beteiligten freiwillig und von der Schulbehörde unabhängig geschehen kann. Die Dienst- und Fachaufsicht muss deshalb grundsätzlich getrennt sein.

An ihrem Tätigkeitsbereich, der Berufsschule in Nürnberg arbeite sie inzwischen sehr erfolgreich zusammen mit einem weiteren Schulsozialarbeiter, berichtete Petra Grundmann. Bayernweit bewege sich die Schulsozialarbeit, abgesehen von einzelnen Inseln, jedoch leider noch sehr in den Anfängen. Dies hänge auch mit der langen Ablehnung von Schulsozialarbeit durch das Kultusministerium zusammen. Noch vor wenigen Jahren wurde erklärt, dass "für sozialarbeiterische Tätigkeit in der Schule im allgemeinen weder die Notwendigkeit noch genügend zeitlicher Spielraum besteht". Inzwischen wurden zwar auch vom Kultusministerium positive Wirkungen der Schulsozialarbeit an Schulen bestätigt, doch ihre Finanzierung wird als alleinige Aufgabe der Jugendhilfe den Kommunen überlassen. Dabei erweise sich die Schulsozialarbeit sehr schnell als durchaus ökonomische Lösung schulischer Probleme. "Beispielsweise wurde an meiner Schule vor meiner Einstellung nach etlichen Gewalttätigkeiten überlegt, einen Sicherheitsdienst einzustellen. Als die Alternative Schulsozialarbeit gegengerechnet wurde, erwies sie sich als die kostengünstigere Variante." Grundmann forderte die Kultusbürokratie auf, sich auch einmal die immensen Kosten durch Schulversagen und Schulabbrüche vor Augen zu halten. Diese seien durch präventive Schulsozialarbeit oft zu vermeiden.

Die Forderung der GEW sei, schulische Sozialarbeit besser als bisher finanziell abzusichern. "An der Finanzierung muss sich neben dem Beitrag der Kommune auch der Freistaat Bayern (das Sozial- und das Kultusministerium) vergleichbar mit Lehrpersonalzuschüssen beteiligen." Langfristig sollte eine Novellierung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes angestrebt werden, um es den Kommunen zu ermöglichen, die im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) genannten Aufgaben zu erfüllen.

In der anschließenden Diskussion mit zahlreichen Veranstaltungsteilnehmern berichteten ein Sozialarbeiter und eine Sozialarbeiterin an Schulen in Stadt und Landkreis Aschaffenburg über ihre Erfahrungen mit Schulsozialarbeit. Der eine, tätig für die Praxisklasse an der Hefner-Alteneck-Schule, konnte in diesem Schuljahr seine Arbeit erfolgreich beginnen. Die Unterstützung der Praxisklasse und ein vielfältiges Angebot von Betreuungsmaßnahmen hätten einen guten Anklang bei Schülern, Eltern und Lehrern gefunden. Eine Sozialarbeiterin bedauerte, dass in der Stadt Aschaffenburg nur ein einziger, im Landkreis nur zwei Schulsozialarbeiterinnen beschäftigt sind. "Dabei liegt der Vorteil von Schulsozialarbeit in den unbelasteten präventiven Einwirkungsmöglichkeiten auf Jugendliche. Solange sie in der Schule sind, können Sozialarbeiter sich beispielsweise noch um berufsvorbereitende Maßnahmen für sie kümmern. Sind sie jedoch erst auf der Straße gestrandet, sind solche Einflussmöglichkeiten kaum noch gegeben."

Einige der in der Veranstaltung anwesenden Lehrer zeigten großes Interesse für die Einstellung von Schulsozialarbeiterinnen an ihren Schulen. Christiane Weyel, Vorstandsmitglied des GEW-Kreisver-bandes, verwies darauf, dass dies in der Kompetenz der Schulträger liege. "Im Schulamtsbezirk der Stadt Aschaffenburg wäre dies zum Beispiel eine interessante Frage an die Kandidaten für die anstehende Oberbürgermeisterwahl, wie sie sich zum Einsatz von Schulsozialarbeiterinnen an den Aschaffenburger Schulen stellen."