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MAIN-ECHO. Briefe an die Redaktion, 21.4.99:
Nicht mit destruktiven Kulten verglichen
Bei meinem Vortrag habe ich die Anthroposophie nicht mit destruktiven Kulturen verglichen,
wie in dem Artikel dargestellt, sondern lediglich erläutert, was meine Fachgebiete sind.
Dazu gehören unter anderem Satanismus, destruktive Kulte, Kinderpornographie und eben
Anthroposophie. Die Anthroposophie ist kein Kult, sondern eine weltanschauliche Lehre.
Dennoch gibt es darin durchaus Tendenzen, die sehr kritisch zu betrachten sind. Die
Anthroposophie ist unbestritten die Grundlage der Pädagogik, wie sie in Waldorfschulen
praktiziert wird. In Fächern wie zum Beispiel Eurythmie, Pflanzenkunde und in der Einteilung
der Kinder nach Temperamenten fließt diese anthroposophische Grundlagenlehre in den Unterricht
mit ein, deshalb kann man meiner Meinung nach nicht mehr von einem »weltanschaulich-neutralen«
Unterricht sprechen. Rudolf Steiners Anthroposophie ist die Grundlage der Waldorfpädagogik und
ohne »übersinnliche« Elemente kann der Waldorflehrer diese Pädagogik schwerlich praktizieren.
Ich bin gegen die staatliche Finanzierung jeglicher Art von Weltanschauungsschulen, das gilt
auch für die sogenannten »Konfessionsschulen«.
Michael Grandt
Journalist
Balingen
Ablehnung bekannt:
Einseitiges Vorgehen
Als erste Reaktion breitete sich bei mir Entsetzen aus; alle möglichen Argumente gegen die Aussagen des Herrn Grandt fielen mir ein, anschließend befiel mich Fassungslosigkeit. Wie kann eine Vertretung der Lehrerschaft nur so einseitig vorgehen? Lehrer, das sind doch diejenigen, die unseren Kindern nicht nur Wissen, sondern auch »mündig-sein«, »Entscheidungen-treffen-können« - also wichtige Schlüsselqualifikationen zur Lebensbewältigung - vermitteln sollen?
Oder täusche ich mich da? Wie sollen die Lehrer das schaffen, wenn sie selbst einen Referenten zu einem Thema einladen, der von vornherein für seine abgrundtiefe Ablehnung bekannt ist? Dabei ist es letztendlich ganz egal, worüber diskutiert werden soll! Mit graust bei dem Gedanken, daß es diese Vorgehensweise sein soll, die unsere Kinder von diesen Vorbildern erlernen sollen.
Der Schlußsatz des Artikels, mit dem der Referent zitiert wird (... die anthropos. Pädagogik lege nicht viel Wert auf eigene Köpfe und individuelle Weltanschauung...), erweist sich als Bumerang, der hoffentlich diese Lehrerschaft selbst an der Nase treffen wird.
Dagmar Duschig-Engelhard
Unterhainstraße 29
Aschaffenburg
Grenzen der Erkenntnisse erweitern
Grenzen der Erkenntnisse aufzusuchen und zu erweitern, ist eine der wesentlichsten Aufgaben des Menschen. Ob in der Wissenschaft, in der Kunst, in der Religion oder auch im Alltag - immer wieder stoßen wir mit Fragen an unser bisheriges Wissen. Galilei hat mit seinen Planetenbeobachtungen die damaligen Erkenntnisse neu gestaltet und wurde 1633 dafür bestraft. Heute nehmen wir diese als selbstverständlich an:
»Und sie (die Erde) bewegt sich doch!«. Picasso hat das Kunstverständnis 1907 mit seinem Bild »Demoiselles d'Avignon« radikal geschockt und neue Maßstäbe gesetzt. Für das kleinbürgerliche Denken damals war das keine Kunst.
Die Liste von Beispielen ließe sich bis in die Jetzt-Zeit verlängern. Alte Denkgewohnheiten werden aufgeweicht zugunsten neuer Erkenntnisse und Erfahrungen, die die Welt bereichern und vertiefen - wenn man es will! Und genau das Gegenteil wollte Herr Grandt mit seinen Ausführungen:
Nichts Neues denken, nicht einmal im Ansatz Bereitschaft haben, die Welt auch anders anzuschauen und sich zu öffnen für Ungewohntes.
Die aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate von Rudolf Steiner (wenn sie überhaupt richtig zitiert wurden) sind, als unverdaute Brocken den Zuhörern hingeworfen, nicht geeignet. zu einem Verständnis der in der Welt von vielen Seiten anerkannten und gefragten Waldorfpädagogik beizutragen. Das war billigster Bild-Zeitungs-Journalismus. Aber das hat ja Methode: das zu verurteilen und ins Lächerliche zu zu ziehen, was man mit seinem eigenen, engen Denken nicht zu überschauen vermag.
Es gehört eben schon etwas mehr dazu, sich dem Neuen, Ungewohnten gegenüberzustellen: Mut, Freiheit und Unbefangenheit des Denkens. Das sind die Kräfte, die die Welt in ihrer Entwicklung weitertragen und fördern. Herr Grandt wird mit seinem Denkstil unbedeutend und nichtssagend bleiben, mag er noch so viele Bücher schreiben und gegen den freien Atem der Welt wettern. Er hat sich als Verfechter eines einengenden und unfreien Menschenbildes selbst ins Abseits der Entwicklung gestellt.
Jürgen Kadow
Unterlandstraße 51
Klingenberg
Feindbild »Waldorf«
Der Vortrag von Herrn Grandt hat mich sehr nachdenklich gestimmt. In meinen Augen ist Herr Grandt kein Anthroposophen-Kritiker, sondern ein Anthroposophen-Gegner. In seinem Referat setzt er sich meiner Meinung nach nicht sachlich kritisch, sondern sehr einseitig und destruktiv mit dem Thema »Anthroposophie - Waldorfpädagogik« auseinander und kreiert somit ein Feindbild. Diese Art von Darstellung halte ich gerade in der heutigen Zeit für sehr gefährlich.
Beate Stark
Am Herbigsbach 65
Aschaffenburg
Kein Respekt vor dem Andersdenkenden
Ich bin Mitglied der ÖTV, Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsvorsitzende und war 20 Jahre lang Mitglied der GEW, bin Vorstandsmitglied im Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik Aschaffenburg un4 unsere beiden jüngsten Kinder besuchen die Waldorfschule.
Eine so unverschämte Veranstaltung wie diese der GEW habe ich noch nie erlebt. Stellt Euch einmal vor, liebe GEW-Kollegen, Ihr würdet in der Zeitung lesen: Was steckt hinter der GEW? Bildung mit Qualität - oder Faschismus? Was würdet ihr davon halten? Wie würdet ihr Euch fühlen? Ich kann mir keinen Anthroposophen und niemanden aus der Waldorfbewegung vorstellen, der so etwas tun würde.
Und wie kündigt ihr Eure Veranstaltung in der Zeitung an! Im Jahresprogramm der GEW wird mit dem Motto »Öffentliche Bildung mit Qualität« als Hinweis zu dieser Veranstaltung das Bild Rudolf Steiners mit auseinanderklaffendem Kopf abgebildet.
Das gleiche Bild findet sich auf dem Umschlag eines Buches des als »Fachmann« eingeladenen Referenten. Wer den Andersdenken in einer solchen Weise darstellt, dem fehlt nicht nur das Mindestmaß an Respekt vor dem andersdenkenden Menschen, er trägt insgesamt zur Dehumanisierung in unserer Gesellschaft bei und ist weit entfernt von jeder freiheitlichen Weltanschauung.
Ich bin dankbar, daß meine Kinder nicht die Verantwortlichen für diese Veranstaltung als Lehrer haben müssen, aber ich hoffe, daß die Verantwortlichen in der GEW wieder zu einer kultivierten Form der Auseinandersetzung mit andersdenkenden Menschen zurückfinden.
Wer sich für Waldorfpädagogik interessiert, wird sich von einem Herrn Grandt nicht die Meinung vorschreiben lassen, sondern sich die Möglichkeiten, sich selbst zu
informieren, nutzen.
Birgit Ruland
Sternberg 62
Johannesberg
90 Minuten mit Herzklopfen gesessen:
Unsäglich und inhaltlich bedeutungslos
Schreiben entsteht aus Betroffenheit. In diesem Falle zweierlei Betroffenheit, zum einen als Vater von Kindern, die aus guten Gründen den Waldorfkindergarten besuchen, zum anderen als Mensch, dem öffentlich vorgetragene Lügen Herzklopfen verursachen.
Die Rede sei von einer Veranstaltung im DGB-Haus Aschaffenburg, ausgerichtet von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unter dem Titel: »Was steckt hinter der Waldorfpädagogik? - Freiheitliche Alternative oder Okkultismus«. Ein gewisser Herr Grandt stellte sein Buch vor: »Die Walldorf-Connection«. Der Titel ließ nichts Gutes, also Differenziertes, ahnen; und alle Erwartungen wurden übertroffen und unterboten.
Einer der ersten Sätze, die ich noch mitnotiert hatte: »Ich bin freier Journalist und möchte Mißstände unserer Gesellschaft aufdecken. Ich beschäftige mich mit Kinderpornographie, Satanismus und Anthroposophie.«
Es war die leider einzige Unterbrechung eines unsäglichen Vortrags, als ich aufstand, und den Herrn und das Auditorium darauf hinwies, daß mit diesem Satz grammatikalisch etwas gleichgesetzt wird, was sich in einem Teil der Zuhörer auch inhaltlich gleichsetzen wird - und ich erlaubte mir, das als Lüge zu bezeichnen.
Nun mußte ich wiederum lernen, daß Demokratie heißt, jemanden ausreden zu lassen; jedenfalls erklärte mir das der Gewerkschaftssekretär. Deshalb saß ich 90 Minuten lang mit Herzklopfen da, denn meine Adrenalinausschüttung funktioniert zuweilen ganz unkontrollierbar - und nicht nur meine.
Ein Herr brachte mit unangemessen ruhiger Stimme seine Verwunderung über die emotionalen Reaktionen im Anschluß an den Vortrag zum Ausdruck, und konnte sich diese nur durch »quasi religiöse Gefühle, die bei Anthroposophen« verletzt worden seien, erklären. Er erhielt allgemeinen Beifall.
Wer weiß, unter welch bedrückenden finanziellen Bedingungen Waldorfeinrichtungen arbeiten müssen, der hätte eine andere Erklärung für die Erregung der Anwesenden, die den Waldorfbetrieb von innen kennen, gefunden. Denn vielerorts wird den Einrichtungen staatlicherseits Unterstützung versagt, weil in den Köpfen der Verantwortlichen genau solche Einschätzungen wie sie Herr Grandt vortrug, haften bleiben.
Inhaltlich ist von der Veranstaltung leider nichts zu berichten - die Worte des Herrn Grandt lohnen nicht der Mitteilung. Zur Methode nur soviel: verlesen aus dem Zusammenhang gerissener Zitate Rudolf Steiners, aus dem Internet zusammengeklaubte Aussprüche unzufriedener Waldorfschüler und unbewiesene Behauptungen (zum Beispiel hätten Waldorfschüler Kontrollbesuche ihrer Lehrer zu erwarten) waren die Zutaten zu einem Konglomerat, daß von einem der Anwesenden als das bezeichnet wurde, was es war: »Kakophonie«.
Die Unerschütterlichkeit, mit der Herr Grandt seine Worte vortrug, ließ mich mitunter vermuten, daß er sich auf diesen Vortrag mit der Einnahme von Tranquilizern vorbereitet hatte, doch wurde ein anderes Bild mit der Zeit plausibler: Als er nämlich gegen Märchen und Erzählungen und gegen Eurythmie zu Felde zog, da sah ich einen Menschen als Opfer materialistischer Erziehung, dem jeder Sinn für Kunst, Religion und das, was übers Geldverdienen hinausgeht, ausgetrieben worden war. Übrig blieb zynische Lebenshaltung und »bodenlose seelische Verödung« (um ein Wort, das er in anderem Zusammenhang ins Lächerliche gezogen hatte, in einen eigentlichen Zusammenhang zu stellen).
Daß sich eine Organisation, die die Worte Erziehung und Wissenschaft in ihrem Namen führt, dazu hergibt, eine solche Veranstaltung auszurichten, hinterläßt in mir eine tiefe Verstörung über meine Berufsgenossen.
Bernd Nonnweiler
Am Wassterurm 6a
Niedernberg
MAIN-ECHO. Briefe an die Redaktion, 24.4.99:
Auf natürliche Beruhigungstropfen zurückgreifen
Tatsächlich habe ich mich bis dahin mit Waldorf-Pädagogik und Anthroposophie nur am Rande
beschäftigt, vielleicht ein bißchen nach dem Motto, daß jeder nach seiner eigenen Fasson
selig werden möge. Mierdings sehe ich das jetzt etwas anders.
Dazu habe ich mir nicht die Mühe gemacht, die angeblich »falschen« oder »aus dem Zusammenhang
gerissenen« Steiner-Zitate im Original zu lesen, mir hat ein Blick in die Osterbroschüre des
Waldorf-Kindergartens von Aschaffenburg genügt. Dort berichtet zum Beispiel ein Anhänger von
seinen frühkindlichen Begegnungen mit »EIfen«, über die im August stattfindende Sonnenfinsternis
lese ich, daß dann »spirituell gesehen das ungeläuterte Astralische im Menschen frei wird« und
mir eine »Zeit tiefster Seelenprüfungen und Erschütterungen« bevorsteht. Für mich grenzt dies
bedenklich an Sektenglauben und ich bin doch recht froh, daß meine Kinder in einem ganz normalen
Kindergarten nicht zwischen Steinen nach Fabelwesen gesucht haben, und ihnen zur Zeit in einer
staatlichen Schule hoffentlich Naturwissenschaften und keine Esoterik vermittelt werden.
Ich denke, daß sie trotzdem zu nicht eingleisig denkenden und fragenden Menschen erzogen werden.
Wenn, wie in einem Leserbrief geschrieben, dem Referenten »Einnahme von Tranquilizern«
unterstellt wird, weil er nüchtern und sachlich seine Kritik vorgebracht hat, möchte ich im
Gegenzug den Waldorf-Verfechtern vielleicht vorschlagen, auf ein paar (natürlich pflanzliche)
Beruhigungstropfen zurückzugreifen, denn ihre hochemotionalisierten Redebeiträge hinterließen,
nicht nur auf mich, keinen guten Eindruck.
Isabella Zang
Volkersbrunner Weg 13
Heimbuchenthal
Kaum diskussionsfähige Beiträge geliefert
Vor einiger Zeit wurde ich von der Mutter eines Schülers gefragt, was denn das »Programm« der
GEW sei. Sie kenne ganz unterschiedliche Lehrer, Lehrerinnen und Erzieherinnen, die
GEW-Mitglieder seien: z. B. eine christlich engagierte Umweitschützerin und Pazifistin,
einen überzeugten Atheisten und einen pragmatischen Gemeinderat. Die Mutter konnte sich nicht
vorstellen, daß gemeinsame Arbeit mit so unterschiedlichen Einstellungen möglich sei.
Ich erklärte ihr, daß die GEW weder eine Partei noch eine Weltanschauungsgemeinschaft,
auch kein Standesverband sei. Und die gemeinsame Arbeit sei gut möglich, da die Bereitschaft
bestehe, mit anderen Vorstellungen manchmal sehr kritisch, aber grundsätzlich diskussionsbereit
umzugehen.
Diese Bereitschaft zur sachlichen Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Meinungen hätte ich mir
bei der GEW-Veranstaltung mit einem Gegner der Waldorfpädagogik und bei einigen Leserbriefen zu
dem darauf folgenden Bericht sehr gewünscht.
Zunächst einmal: Die GEW-Veranstaltung war nicht als gegensätzlich besetzte Podiumsdiskussion
geplant, sondern als Informationsabend zur Waldorfkritik der Autoren Michael und Guido Grandt,
deren »Waldorf-Connection« ja im Aschaffenburger Alibri-Verlag erschienen ist.
Weiter: Ich kann mich gut an einen GEW-Abend vor Jahren erinnern, als ein Lehrer einer
Waldorfschule aus seiner Praxis berichtete. Wir wären nie auf die Idee gekommen, diesem
begeisterten Mann gleichzeitig einen Waldorikritiker entgegenzusetzen. Für mich bedeutet
das grundsätzliche Gebot der Ausgewogenheit und Fairneß nicht die Verpflichtung, daß sich jede
Veranstaltung zu einem Forum der Gegensätzlichkeit oder auch Beliebigkeit gestalten muß.
Zur inhaltlichen Kritik: Ich verstehe immer noch nicht, warum einige der offensichtlich recht
gut für die Veranstaltung vorbereiteten Befürworter der Waldorfschulen ihren Vorwurf, die
Brüder Grandt arbeiteten unseriös und mit verfälschten Zitate, nicht wirkungsvoll durch Belege
untermauerten. Sie hatten doch die Gelegenheit, einen der Autoren wirklich sachlich und nicht
nur subjektiv und emotional anzugreifen.
Für mich bleibt der Eindruck: Einige Teilnehmer waren von der Waldorfkritik Grandts völlig
aufgewühlt. Dies war für mich noch einigermaßen nachvollziehbar - wobei ich mich ärgerte, daß
anderen, weniger durchdringenden Zuhörern die Möglichkeit genommen wurde, den Referenten selbst
sachlich-kritisch zu befragen. Immerhin hätte ich erwartet, daß die so Betroffenen anschließend
mit etwas mehr Ruhe ihr Verständnis von Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft
überprüfen würden. Die veröffentlichten Leserbriefe zeigen aber, daß dies einigen
Waldorfanhängern wohl kaum möglich ist. Ich finde es bezeichnend und alarmierend, wenn sie
die GEW, weil sie waldorfkritische Autoren zum Vortrag eingeladen hat, nun als unverschämt,
unkultiviert und respektlos diffamieren.
Übrigens: Zur öffentlichen Podiumsdiskussion »Modell Waldorfschule - gefragt und hinterfragt«
in der Waldorfschule Balingen-Frommem Anfang Mai werden laut Schulleiter Grebe keine Gegner
der Waldorfschulen eingeladen. Wie offen wird dort »hinterfragt« werden?
Martin Hahn
Sandwiesenstraße 19
Schimborn
Antiaufklärerisch und vernunftfeindlich
Erschreckend und abstoßend wirken auf den nüchternen Zeitgenossen die wütend schäumenden
Anwürfe einiger Anhängerinnen der Waldorf-Pädagogik beziehungsweise Anthroposophie, die heim
Vortrag im DGB-Haus dem Referenten Michael Grandt und den Veranstaltern entgegengeschleudert
wurden und sich nun in einigen der Leserbriefe zum Artikel über den Abend wiederfinden.
Die Wut, die so gar nicht zu den Menschenfreunden passen mag, wurde durch die Tatsache
hervorgerufen, daß in Aschaffenburg ein dezidierter Kritiker der Waldorf-Pädagogik und vor
allem des weltanschaulichen Hintergrundes, der Anthroposophie, zu Wort kommen darf.
Die Anthroposophie erhebt zwar den Anspruch, eine Geisteswissenschaft zu sein, an öffentlichen
deutschen Universitäten jedoch wird sie nicht gelehrt. In philosophischen Standardwerken taucht
ihr Begründer, Rudolf Steiner, als Randbemerkung mit dem Zusatz »prophetischer Anspruch« auf.
Es handelt sich m. E. bei der Anthroposophie weniger um eine Wissenschaft, als viel mehr um eine
esoterische Heilslehre.
Einer derartigen Lehre ist natürlich mit der Wahrnehmung der Vernunft und dem klassisch
wissenschaftlichen Denken nicht zu begegnen. Wirklich begreifen können sie nur Eingeweihte,
die über die sogenannten »Grenzen der Erkenntnis« geführt wurden. Der Journalist und
Nichteingeweihte Michael Grandt besaß nun die Frechheit, von außen, mit seinen »alten
Denkgewohnheiten« die Anthroposophie zu kritisieren und dabei Steiner, den Unantastbaren,
»aus dem Zusammenhang gerissen« zu zitieren. Klar, der »Zusammenhang« öffnet sich ja nur den
Anhängern der Lehre, den Eingeweihten und dadurch Wissenden. Der weltanschauliche Hintergrund
der Waldorf-Pädagogik, die Anthroposophie, ist antiaufklärerisch und vernunftfeindlich.
Unbestritten leisten auch Waldorf-Pädagogen hervorragende Arbeit. Einige Bestandteile dieser
Pädagogik sind eindrucksvoll und könnten das öffentliche Schulwesen durchaus befruchten.
Insgesamt jedoch ist die Waldorf-Pädagogik in den Reformbemühungen der Weimarer Zeit stecken
geblieben, hat sie sich doch zu sehr auf ihren Vordenker Steiner fixiert. In der
Waldorfpädagogischen Praxis wird versucht, eine schöne, heile und glückliche Welt aus
vergangener Zeit herüberzuretten.
Veröffentlichungen beispielsweise des Waldorfkindergartens erschüttern geradezu ob ihrer
Entrücktheit von dieser Welt. Auch in der Pädagogik gilt es aber der Wirklichkeit dieser Welt,
und sei sie noch so ernüchternd, ins Auge zu sehen. Vernunft und Kritik der Unvernunft sind
notwendiger denn je. Dies erfuhr am beschimpften Vortragsabend, den der Deutsche
Freidenker-Verband mitveranstaltete, eindrucksvoll Bestätigung.
Albert Sylla
Flemingstraße 28
Hösbach
Anthroposophie ist kein okkultes Machwerk
Jede Waldorfschule unterliegt der staatlichen Schulaufsicht, die streng über die Einhaltung
der Schulgesetze wacht. Schon allein aus diesem Grunde ist es Unsinn, von einer
Weltanschauungsschule zu sprechen. Die Mehrzahl der Lehrer, die an der Waldorfschule
unterrichten, sind Lehrer, die ein normales Studium an deutschen Hochschulen absolviert haben.
Viele sind keine Anthroposophen.
Es ist richtig, daß der Lehrplan der Waldorfschulen sich nach der von Rudolf Steiner gegründeten
Allgemeinen Menschenkunde richtet. Dies ist kein okkultes Machwerk, sondern ein
geisteswissenschaftliches Buch, was im übrigen im Buchhandel zu erstehen ist. Dies hat
Konsequenzen für die praktizierte Pädagogik. Wie zum Beispiel die sechs- bis achtjälrrige
Klassenlehrerschaft oder der Beginn mit zwei Fremdsprachen bereits in der ersten Klasse.
Beides wird mittlerweile von namhaften Bildungswissenschaftlern empfohlen und teilweise auch in
Bayern an der Regelschule praktiziert. Es ist auch richtig, daß die Kinder in der Unter- und
Mittelstufe keine Noten erhalten, dafür aber ein ausführliches Textzeugnis. Auch dies wird in
zunehmendem Maß von der Grundschule übernommen. Ebenso hat die Waldorfschule, im Gegensatz
zur staatlichen Schule, schon 1919 mit der Koedukation begonnen. Es wird auch heute nicht
getrennt zwischen Jungen und Mädchen, wie es von Herrn Grandt behauptet wird.
Es ist beeindruckend, wenn von den Herren Grandt immer wieder behauptet wird,
Kinder werden an den Waldorfschulen nach »okkulten Methoden« beeinflußt. Wie soll das
möglich sein, wenn die Waldorfschulen jährlich in beträchtlichem Maße mehr Schüler anziehen?
Wie sollte das möglich sein in einer modernen Gesellschaft mit einer zunehmend kritischen
Elternschaft? Die Eltern schauen mit Recht sehr genau hin, was mit ihren Kindern passiert,
und es steht ihnen nichts im Wege, ihr Kind jederzeit auch wieder abzumelden.
Alle Waldorfeinrichtungen wie Kindergärten, Schulen veranstalten immer wieder
»Tage der offenen Tür«. Ich möchte nur jedermann ermutigen, dort hinzugehen, um sich vor Ort
selbst die geleistete Arbeit anzusehen, und sich daraufhin ein eigenes Bild zu machen.
Olav Klüver
Lehrer in Klein-Welzheim
Hauptstraße 125
Seligenstadt
Solche Niveaulosigkeit noch nie erlebt
Warum texten Sie: »Befürworter: Kein ausgewogenes Podium«, anstatt korrekt zu berichten,
daß es überhaupt kein Podium gab? Warum schreiben Sie von einem »erbitterten Streit« und
füllen ihre Zeilen inhaltlich fast ausschließlich mit den Ansichen eines Mannes?
Sie verfälschen auch eine meiner Aussagen. Ich sprach von der Methode, mit der Herr Grandt
aus Zitaten, unter anderem auch von Rudolf Steiner, ein wirres und bösartiges Zerrbild der
Waldorfpädagogik zeichnete, und ich schilderte, wie es ein leichtes sei, mit derselben Methode,
auch die staatliche Schule oder jede andere Institution zu verunglimpfen. Diese entstellende
Methode kritisierte ich scharf. Die tatsächliche Bösartigkeit der Grandschen Darstellung geht
aus ihrem Bericht nicht hervor.
Die Bruder Grandt fühlen sich von den »Waldorfianern«, die sie als Waldorfconnection
verunglimpfen, mundtot gemacht. In Wirklichkeit handelt es sich darum, daß einige
Waldorfeinrichtungen als Opfer der Grandts sich gegen rufschädigende Falschaussagen mit den
gebotenen rechtlichen Mitteln - übrigens erfolgreich - zur Wehr setzen mußten. Als langjähriges
GEW-Mitglied schäme ich mich über diese GEW-Veranstaltung. Ich habe eine solche Niveaulosigkeit
in der GEW noch nie erlebt. Ich möchte mich für diese Entgleisung bei den Anthroposophen und
Mitarbeitern der Waldorfeinrichtungen mit tief empfundenem Bedauern entschuldigen.
Klaus Ruland
Sternberg 62
Johannesberg
Dem freiheitlichen Ansatz einen Bärendienst erwiesen
Als ehrenamtliches Vorstandsmitglied hatte ich die Aufgabe übernommen, unsere Veranstaltung »Waldorfpädagogik - freiheitliche Alternative oder rassistischer Okkultismus?« am 14.4.99 im DGB-Haus zu moderieren. Der »erbitterte Streit" wurde von einigen Gästen am Anfang mit wenig Respekt vor Gesprächsregeln sowie der Tendenz zu Co-Referaten vorgetragen. Deshalb war Moderation bitter nötig. Doch sehe ich mich gezwungen, einige Dinge im Namen der GEW nochmals klarzustellen:
1. Die GEW Aschaffenburg hat öffentlich zu dieser Veranstaltung eingeladen. Längst nicht alle Besucher und Besucherinnen waren Gewerkschaftsmitglieder. Die GEW hat nicht die Absicht, diese Gäste gleich als Mitglieder zu vereinnahmen.
2. Die GEW Aschaffenburg hatte diesen Abend nicht als Podiumsdiskussion über Waldorfpädagogik geplant, sondern als Vortrag mit anschließender Diskussion. Von einer Einseitigkeit des Podiums zu sprechen ist also völlig verfehlt.
3. Als wir vor einigen Jahren einen Frankfurter Waldorf-Lehrer zu einem Diskussionsabend eingeladen hatten, hat sich kein »Waldorfianer« - und auch niemand sonst - über diese Vorgehensweise beschwert. Die Würzburger Waldorfschule war übrigens auch schon Ziel einer Exkursion der GEW.
4. Diesmal waren die beiden Autoren eines Buches eingeladen, das in Aschaffenburg verlegt wird und sich einer Repression ausgesetzt sieht, wie sie ihresgleichen sucht. Gerade diese Tatsache weckte unser Interesse an diese beiden Autoren. Die Einladung zweier dezidierter Kritiker der Steinerschen Lehre zur Kenntnis zu nehmen und sich hinterher über deren eindeutig konträre Einstellung zur Antroposophie zu wundern, halte ich für unsachlich oder heuchlerisch.
5. Die Meinung der Autoren stellt nicht die Meinung des GEW-Vorstandes oder der GEW insgesamt dar. Wir erlauben uns allerdings, Argumente gegen pädagogische Konzepte zu sammeln, zumal wenn sie so stark von Prinzipien der Aufklärung abweichen wie die Grundlagen der Waldorf-Pädagogik. Auch unsere Präferenz eines Bildungssystems in saatlicher Verantwortung gegenüber Privatisierungstendenzen sehen wir von den beiden Grandts unterstützt.
6. Dem Titel unserer Veranstaltung ist einerseits zu entnehmen, wie sich vielen GEW-Mitgliedern die Waldorf-Pädagogik zunächst dargestellt hat: nämlich als freiheitliche Alternative. Andererseits beinhaltet er, wie die Steinersche Lehre von den Brüdern Grandt kritisiert wird: nämlich als teilweise rassistisch und in ihren Inhalten und Ausprägungen mit okkulten Strömungen verbunden. Das Fragezeichen hinter den beiden Etikettierungen macht doch wohl die Aufforderung zur offenen Auseinandersetzung deutlich genug. Leider war eine etwas differenziertere Diskussion an diesem Abend nicht möglich. Die Verantwortung hierfür liegt aber weder bei der Veranstalterin noch beim Referenten. Auch der Diskussionsleiter lehnt diese ab.
7. Die Analogie der Kollegin Ruland im Sinne von »GEW - Faschismus?« muss ich scharf zurückweisen. Im Gegensatz zur Waldorf-Materie kenne ich keine Literatur, die eine solche Fragestellung erlauben würde. Tiefgreifende Kritik an der Steinerschen Lehre allerdings wird von einer Vielzahl namhafter Autoren und Autorinnen vorgebracht, die unsere Fragestellung durchaus als berechtigt erscheinen lässt.
Ich kann mich zusammen mit den Kolleginnen meiner Schule, die diesen Abend miterlebt haben, des Eindrucks nicht erwehren, dass eine offene Auseinandersetzung von den Waldorf-»Befürwortern« nicht gewünscht wird. Auf jeden Fall haben einige von ihnen dem oft zitierten freiheitlichen Ansatz einen Bärendienst erwiesen.
Reinhard Frankl
Morgenweg 17
Bessenbach
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