»Wie machen sich die Einsparungen für Sie bemerkbar?« wollte dann Diskussionsleiterin Christiane Körner, Lehrerin am HSG, auch gleich von ihren Gesprächspartnern auf dem Podium wissen. Peter Hofmann, Schüler der zwölften Jahrgangsstufe, skizzierte die Auswirkungen aus Sicht der Kollegiaten: Bestimmte Leistungskurse kommen nicht zustande, die Kurse sind zu voll und die Lehrmittel lassen bisweilen auch zu wünschen übrig. Auch Zusatzkurse wie Dramatisches Gestalten seien nicht vor dem Rotstift sicher. Aber: »Gerade hier bieten sich Möglichkeiten für die Schulen, sich zu profilieren.«
Herbert Liebchen schilderte die Sicht der Lehrer. Die Ansprüche von Eltern und Wirtschaft stiegen. Die Schüler sollen lernen, im Team zu arbeiten. Nur ist das schon aufgrund des Platzmangels »praktisch unmöglich«, ganz abgesehen von rechtlichen Problemen bei der Bewertung und viel zu hohen Klassenstärken. »Die fehlenden finanziellen Mittel beschränken mehr Veränderungen an den Schulen«, konstatierte Liebchen.
Da konnte ihm auch Karin Pranghofer von der SPD zustimmen. Als Mutter sah sie sich in der Rolle eines Ersatzlehrers und Zahlmeisters ohne Mitspracherecht. Als Kommunalpolitikerin stellte sie die Frage, ob eine wirkliche Bildungsplanung überhaupt stattfinde. Die staatlichen Reaktionen auf den drohenden Schülerberg ließen eher Gegenteiliges vermuten. Albrecht Sylla von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft brachte die Sache auf den Punkt: »Die Lernsituation an den Gymnasien hat sich konstant verschlechtert. Es besteht ein erhöhter Einstellungsbedarf, der völlig unzureichend gedeckt wird. Unter diesen Bedingungen wird sich das Leistungsniveau an der Gymnasien nicht halten lassen.«
Als Vertreter der Industrie saß Wilfried Gießler, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei der Degussa AG in Hanau-Wolfgang, auf dem Podium. Die Industrie müsse häufig die »Bildungsdefizite der Schulen nacharbeiten«. In den Berufsschulen würden die Themen teilweise nicht so behandelt wie dies eigentlich geschehen sollte. Probleme treten aber nicht nur in Sachen Fachwissen auf: Mit Konzentrationsfähigkeit, Tugenden und sozialer Kompetenz steht es auch nicht zum besten. Und weiter: Auch mit den Deutsch- und Mathematikleistungen der Bewerber für eine Ausbildungsstelle gehe es stetig bergab. Sind also Deutschlands Schüler dumm? Internationale Studien und steigende Ausgaben für Nachhilfe bereits ab der Grundschule verheißen zumindest nichts Gutes.
Karin Pranghofer sieht das nicht so: »Die Schule hat einfach nicht mehr die Zeit für individuelle Förderung.« Die aber wäre gerade nötig. Steigende Ausgaben für Nachhilfe führt Herbert Liebchen auch auf die steigenden Ansprüche der Eltern zurück.
Überhaupt standen die gesellschaftlichen Veränderungen als Ursache für die Probleme an den Schulen wiederholt im Raum: Fehlende Angebote für Jugendliche, mangelnde Unterstützung von seiten der Eltern, die ihre eigenen Probleme haben, aber auch der Run aufs Gymnasium tauchten immer wieder in der Diskussion auf. Wenn aber 30 Prozent der Abiturienten des HSG einen Ausbildungsberuf ergreifen würden, dann sei das nicht Sinn des Ganzen. »Man muß deutlich machen, wo die Elemente der verschiedenen Schularten liegen«, stellte HSG-Chef Bernd Boegl fest.
»Lassen sich an den Schulen auch kostenneutrale Reformen organisieren?«, wollte Christiane Körner nach der Pause wissen. »Es wird keine kostenneutrale Veränderung des Systems geben«, entgegnete ihr Albrecht Sylla. »Wenn Veränderungen im Kleinen an den Schulen beginnen, dann muß sie der Staat annehmen und finanziell fördern.« Und wie sieht es mit einem Sponsoring der Schulen durch die Industrie aus? Abhängigkeit, inhaltliche Einflußnahme und mangelnde Chancengleichheit wurden als Gegenargumente angeführt. Berechtigte Frage aus dem Plenum: »Wer fördert die Sonderschulen?« Daß die Industrie die Schulen aber nicht nur finanziell unterstützen kann, zeigt die Zusammenarbeit zwischen HSG und Degussa. Das Know-how eines großen Industriebetriebes kommt den Hösbachern im Wettbewerb »Jugend forscht« oder bei Lehrerfortbildungsveranstaltungen zugute.
Auch die Abschaffung des Beamtenstatus für Lehrer ist nach Albrecht Syllas Meinung nicht der finanzpolitischen Weisheit letzter Schluß: Angestellte wären teurer und nach 15 Jahren auch unkündbar. Auch wenn Lehrer den höchsten Krankenstand aller Berufe haben, warnt er vor der »Konstruktion eines Sündenbocks«. Die berufliche Belastung für einen Lehrer sei so hoch wie im Produktionsbereich der chemischen Industrie, wo es »stinkt und kracht«.
Förderung der Leistung und Freude am Lernen waren Ideen von Bundespräsident Herzog, um der Bildungsmisere zu begegnen, die Christiane Körner als Abschluß in die Diskussion einbrachte. GEW-Mann Sylla schien da nicht ganz so begeistert zu sein. »Handeln statt reden«, forderte er. Das nötige Geld fehlt nämlich immer noch.