Widerstand gegen zu große Klassen macht Schule

Bayernweiter Aktionstag für bessere Schulorganisation am 11. Februar mit Beteiligung von Elternbeiräten im Landkreis Aschaffenburg

Kreis Aschaffenburg. Nicht mehr länger hinnehmen wollen Schülereltern im Landkreis Aschaffenburg übervolle Klassen und ausgemergelte Lehrkörper: Nach einer Postkarten-Protestaktion Mitte Dezember vergangenen Jahres machen Elternbeiräte am Mittwoch, 11. Februar, mobil beim bayernweiten Aktionstag »Aktion 25«. Proteste angekündigt haben neben anderen vor allem die Elternbeiräte an den Volksschulen in Bessenbach und in Kleinostheim.

Daß sich der Unmut gerade an den Schulen in diesen beiden Gemeinden entlädt, ist kein Zufall. In Bessenbach begann das Schuljahr 1997/98 mit 97 Drittkläßlern in drei Klassen. Obwohl damit die Klassenstärken die Schmerzgrenze von 32 Schülern ­ die 3a mit sogar 33 Schüler­ erreicht haben, wurde trotz vorheriger Versprechungen keine vierte Klasse eingerichtet: Generell sehen Schulverwalter bei der maximalen Schülerzahl pro Klasse noch immer eine »tolerable Ausnahme« nach oben als möglich an ­ und verwiesen denn in diesem Fall auch auf den Kunstgriff, daß nicht 33, sondern 32 + 1 das Maß aller Dinge ist.

Bei 33 nämlich würde die Klasse geteilt, bei 32 Schüler plus einer zuviel aber liegt die Ausnahme der Regel vor. Das Resultat nach fünf Monaten des Schuljahrs: Die Bessenbacher Elternbeirats-Vorsitzende Angelika Frankl sieht mit der Toleranz-Politik »die leisen und ruhigen Kinder in den völlig überfüllten Klassen untergehen, durchsetzen können sich nur sehr aktive oder laute Mädchen und Jungen«.

Den Grund für die fehlenden Klassenteilungen haben die Eltern in Kleinostheim unmittelbar erfahren, als im Juli vergangenen Jahres an der Brentano-Grundschule einer Lehramtsanwärterin die Übernahme in den Staatsdienst abgeschlagen wurde und damit die Betreuung einer jetzigen vierten Klasse ­ eine von insgesamt 19 jungen Frauen und Männern an Schulen im Landkreis Aschaffenburg, für die der letzte Schultag des Jahres 1996/97 zu einem vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) so bezeichneten »Schwarzen Mittwoch« wurde.


IN DEN STATISTISCHEN ÜBERSICHTEN des Bayerischen Kultusministeriums finden sich obige Zahlen: Den Höchststand an Schülern erreicht die Grundschule bereits im kommenden Schuljahr, die Hauptschule 2003/2004, Realschule und Gymnasium jeweils 2004/2005. Danach sinken die Schülerzahlen wieder und erreichen den Stand von 1989 um 2008 bei der Grundschule, 2016 bei der Hauptschule, 2018 beim Gymnasium und 2020 bei der Realschule Quelle: Bayerisches Kultusministerium

33 als Trauma

In Kleinostheim wollte damals Maria Weitz-Kneisel ­ eine Mutter betroffener Kinder und nach damaliger Aussage keineswegs engagiert in der schulpolitischen Diskussion ­ die ihrer Ansicht nach unhaltbare Situation an der Brentano-Schule nicht länger hinnehmen, in Bessenbach wurde die Schülerzahl 33 pro Klasse für Angelika Frankl zum traumatischen Auslöser, »mich mit der bayerischen Schulpolitik näher zu beschäftigen«.

Und eben die stößt mittlerweile selbst Christsozialen an der Basis sauer auf, wie der Bonner CSU-Landesgruppenchef Michael Glos Mitte Juli bei einer Parteiveranstaltung in Kleinostheim zu spüren bekam: Statt heile Welt zu demonstrieren, mußte sich Glos stellvertretend für Bayerns Kultusminister Hans Zehetmair von einem Parteifreund eine »völlig verkorkste Personalpolitik« vorhalten lassen. Für den Kritiker war daheim in Mespelbrunn die verweigerte Übernahme einer Referendarin in den Staatsdienst ebenfalls zum bösen Lehrstück geworden.

Gerade Regionen mit starkem Zuzugsdruck ­ wie der Raum Aschaffenburg ­ leiden dabei besonders unter Ankündigungen Zehetmairs und der Bayerischen Staatsregierung wie im Sommer vergangenen Jahres, 4000 Junglehrer nicht einzustellen: An den 57 Volksschulen im Bereich des Schulamts Aschaffenburg-Land stieg die Zahl Klassen vom vorherigen zum jetzigen Schuljahr von 559 auf 575 und die der Schüler in der selben Zeit von 13671 auf 14025. Rein rechnerisch verringerte sich zwar die Größe einer Klasse von 24,5 auf 24,39 Kinder ­ aber: Die Zahl der Erstkläßler stieg von 2133 im Jahr 1996/97 auf 2301, die Stärke der jetzt 93 statt im Vorjahr 87 Abc-Klassen erhöhte sich ­ im Durchschnitt ­ von 24,5 auf 24,74.

Ganz nebenbei wird der Lehrkörper zunehmend älter, da immer weniger Anwärter eingestellt werden. Derzeit stellt die Altersgruppen der 46- bis 50jährigen mit Anteilen zwischen 20,3 und 27,8 Prozent das Gros an Bayerns Schulen, Lehrer unter 35 Jahren summieren sich je nach Schulart nicht einmal auf 10 Prozent.

24 als Traumzahl

Mit anhaltendem Zuzugsdruck junger Familien in die Region werden die Klassenstärken weiter ansteigen ­ wobei dann allenfalls Schuljahrgänge wie die jetzigen Bessenbacher Drittkläßler oder die Erstkläßler in Rothenbuch und in Goldbach mit ebenfalls 32 Kindern pro Klasse profitieren könnten: Denn irgendwann müssen dann diese Klassen geteilt werden. Ansonsten dürften 24 Schüler pro Klasse in absehbarer Zeit eine Traumzahl sein.

Für Eltern muß in dieser Situation teilweise wie Verhöhnung ihrer Sorge um die eigenen Kinder klingen, was Angelika Frankl beruhigend auf den Weg gegeben wurde: Ab 2004 würden die Klassen endlich kleiner. Nur: Dann werden etliche der heutigen Drittkläßler in Bessenbach bereits aus der Volksschule entlassen, andere haben bereits vorher auf weiterführende Schulen gewechselt ­ und dort ist die Lage im Vergleich mit Grund- und Hauptschulen auch nicht besser. Angelika Frankl hört sich als Elternbeirats-Vorsitzende seit Monaten immer wieder Klagen an von Vätern und Müttern, deren Kinder weiterführende Schulen mit Klassen bis zu 37 Schülern besuchen.

RECHENEXEMPEL: Im Ländervergleich hat Deutschland gegenüber Frankreich, den USA, Großbritannien, Belgien, Schweden und Italien grundsätzlich mehr Schüler pro Klasse. Gleichzeitig weist die Bundesrepublik gegenüber diesen Industrienationen mit 3 Prozent den geringsten Anteil an Schulausgaben am Bruttosozialprodukt auf. Foto: Keystone









25 als Aktionszahl

In Kleinostheim hat der Elternbeirat von der Gemeinde im Mitteilungsblatt Platz eingeräumt bekommen, um auf das Anliegen der »Aktion 25« aufmerksam zu machen: weniger Schüler pro Klasse, Halten aller Unterrichtsstunden, ausreichend mobile Reserve, mehr Lehrer, Platz in den Klassenzimmern. Am Mittwoch, 11. Februar, ab 9.30 Uhr sollen »für eine halbe Stunde« auf dem Pausenhof der Brentano-Schule auf generelle Mißstände an Bayerns Schulen aufmerksam gemacht werden.

Der Bessenbacher Elternbeirat läßt wenig später am selben Tag ­ zwischen 12.15 und 13.15 Uhr ­ vor der Volksschule »99 + 1 Luftballons« steigen in Anlehnung an die Vorgabe des Kultusministeriums, »32 +1 Schüler« seien als maximale Klassenstärke vertretbar. Angelika Frankl verweist zudem darauf, daß auch ihrem Anliegen durchaus Verständnis in der Gemeindeverwaltung entgegengebracht wurde.

Gleichzeitig hoffen die Bessenbacher und Kleinostheimer Schülereltern wegen der kurzen Vorbereitungszeit auf spontane Teilnahme von Beiräten in anderen Gemeinden an der Aktion. Mit ihren Beiträgen geben sich die Eltern an diesen Schulen sogar noch vergleichsweise zurückhaltend. Die inzwischen zur überparteilichen Elterninitiative angewachsene »Aktion 25« mit starker Beteiligung in Oberbayern und in dem von großen Klassen besonders betroffenen Unterfranken empfiehlt für den 11. Februar über die bloße Information hinaus sogar einen »Streiktag in der Schule ... mit einem geordneten, überschaubaren Chaos«, Sternmärsche, Lichterketten und Diskussionsveranstaltungen zum Thema »Bildungsnotstand in Bayern«.

Danach werden die Proteste sowohl bayernweit als auch auf regionaler Ebene nicht mehr abreißen: Bereits am Samstag, 14. Februar, hat die in Weilheim entstandene »Aktion 25« mit dem Ziel »Mehr Lehrer und kleinere Schulklassen für die Zukunft unserer Kinder« zu einer Großdemonstration von 11.30 bis 13 Uhr auf dem Münchner Marienplatz aufgerufen, am

16. Mai demonstriert in Würzburg die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Junglehrer. In Kleinostheim hat der Elternbeirat eine Podiumsdiskussion zum Thema für den

28. April vorgesehen, möglicherweise mit Beteiligung der Bayerischen Kultusstaatssekretärin Monika Hohlmeier (CSU).

Bereits jetzt steht fest, daß das öffentliche Forum an jenem Tag sein Publikum finden wird: An Weihnachten ertranken bayerische Landtagsabgeordnete in Postkarten erzürnter Eltern, die in einer großangelegten Aktion für mehr Lehrer an Bayerns Schulen nach München geschickt worden waren. Oppositionspolitiker wie die SPD-Abgeordnete Karin Radermacher (Kitzingen) gaben an, allein an die eigene Adresse rund 1000 Karten bekommen zu haben. Christsoziale Abgeordnete, auch vom Bayerischen Untermain, indes hatten seither in der Sache nichts zu sagen.