MAIN-POST, 21.07.2011
Felbinger: Inklusion muss man
leben Inklusion: Bei einer Podiumsdiskussion tauschte sich MdL Günther Felbinger (Zweiter von rechts) unter anderem mit Grundschulrektorin Barbara Kinzkofer (Arnstein) über die gemeinsame Beschulung von behinderten und nicht-behinderten Kindern aus. (matz) Schulische Inklusion, also die gemeinsame Beschulung behinderter und nichtbehinderter Kinder in der Regelschule, ist längst nicht mehr nur eine Vision. Schon zum neuen Schuljahr im September steht die Umsetzung der sogenannten UN-Konvention zur Inklusion in Bayern bevor. Aus diesem Grund lud der Landtagsabgeordnete Günther Felbinger zu einer Podiumsdiskussion mit Lehrern, Schulleitern und Eltern nach Arnstein. Das Thema: „Die Inklusion steht vor der Tür. Wie ist die gemeinsame Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Schülern möglich?“ „Die Weichen für die Umsetzung der
schulischen Inklusion wurden mit der einstimmigen Verabschiedung des
gemeinsamen Gesetzentwurfes aller Fraktionen des Bayerischen
Landtages gestellt, jetzt gilt es, dies gemeinsam zu bewältigen“,
sagte Felbinger laut einer FWG-Pressemitteilung. Inklusion könne man aber nicht per Gesetz verordnen, glaubt Felbinger. Vielmehr müsse man sie leben. Insofern könne man nicht erwarten, dass man nur mit Schalterumlegen die gemeinsame Beschulung von Behinderten und Nichtbehinderten in der Regelschule von heute auf morgen bewerkstelligen könne. Inklusion sei ein langfristiger Prozess, der in den Köpfen der Menschen ankommen müsse und Lehrer, Eltern und Schüler nicht überfordern dürfe. Felbinger hält die
Gesetzänderungen, wonach Eltern behinderter Schüler künftig den
Beschulungsort ihres Kindes selbst bestimmen können, für bedeutend
und sieht auch mit der Möglichkeit der Entwicklung hin zu
Profilschulen die Inklusion als eine ganz entscheidende Neuerung im
bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. „Im gleichen
Atemzug ist aber auch der Freistaat gefordert, indem er die
erforderlichen finanziellen Mittel in Form von Personalstellen zur
Verfügung stellte“, so der Gemündener MdL. Davon könne ab September die Schulleiterin der Grundschule Arnstein, Barbara Kinzkofer, profitieren: Die Balles-Grundschule wird eine von 37 neuen Inklusionsschulen. Schon in den vergangenen zwei Jahren gab es eine Außenklasse des Karlstadter Leo-Weismantel-Förderzentrums an der Grundschule. Kinzkofer sprach aus Erfahrung: „Es bedeutete am Anfang großer Überzeugungskraft den Eltern gegenüber, dass behinderte Kinder mit ihren nichtbehinderten Kindern zusammen an unserer Schule unterrichtet werden sollten, aber schon nach kurzer Zeit waren diese Vorbehalte vom Tisch.“ Wolfgang Tröster (Karlstadt), Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte den aufgezeigten Weg, warnte aber: „Wir dürfen die Belastung der Lehrer nicht außer Acht lassen.“ Er forderte klare Vorgaben und zusätzliche Lehrerstellen. Bislang waren für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Landkreis Main-Spessart 14 Lehrkräfte im Mobilen Sonderpädagogischen Dienst bei der Betreuung von rund 320 Kindern mit ausgeprägtem Förderbedarf an den Regelschulen im Einsatz, sagte Schulamtsdirektor Bruno Fries. Der Landkreis sei hinsichtlich der Inklusion in einer Vorreiterrolle, bestehe doch über eine Arbeitsgruppe ein reger Erfahrungsaustausch zwischen Sonderpädagogen und Regelschullehrern. Burkard Betz, Leiter der
Weismantel-Förderzentrums, erinnerte bei allem Optimismus zur
Umsetzung der Inklusion daran, dass es auch zu Problemen an
Förderschulen führen könne, wenn immer mehr Schüler mit
Förderbedarf an Regelschulen abwanderten und dann die Schüler mit
ausgeprägtem Förderbedarf sich an den Förderzentren verdichteten. Rainer Kunkel, Schulleiter Mittelschule Gemünden: „Ich habe selbst eine behinderte Schwester, das war in früheren Zeiten nahezu ein Versteckspiel, wie man mit Behinderten umgegangen ist.“ Behinderte Kinder seien ein Gewinn für jede Schule. Ein Förderschullehrer aus Wasserlosen: „Die Förderung sollte bei den Familien beginnen. Die größten Probleme sind heute die verhaltensauffälligen Kinder.“ Hier müsse man in mehr Lehrerstunden investieren. Die Mutter von zwei hörgeschädigten Kindern, sagte, dass die Förderzentren für Kinder mit starken Handicaps bestehen bleiben sollten. Denn wie solle sonst die Beschulung von verschiedenen Behinderungen in einer Klasse funktionieren? Die Inklusion habe Grenzen. Die Mutter eines körperlich behinderten Kindes, das eine Grundschule besucht, rät zu einer neutralen Beratungsstelle. Sie habe die Entscheidung für die Regelschule nicht bereut. |