Die Lehrer werfen den Rettungsring | |||||||||||||||||
würzburg Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ruft zum Tag der Bildung auf: In ganz Deutschland soll das Thema am heutigen Freitag Tagesgespräch werden. In Berlin versammeln sich Pädagogen, Eltern und Schüler zu einem großen Bildungsfest vor dem Brandenburger Tor. Und in Unterfranken? Gibt es Diskussionen und Würstchen. | |||||||||||||||||
"Wir sind nicht nur Miesepeter", sagt Jörg Nellen, Vorsitzender des GEW-Kreisverbandes Würzburg und Sprecher des Bezirksverbandes Unterfranken. Statt zu quengeln und zu jammern, wollen die Erzieher am Tag der Bildung vielmehr positive Beispiele aufzeigen. Und sie wollen in aller Öffentlichkeit auf sich und ihre Arbeit aufmerksam machen - trotz und wegen der Pisa-Studie. "Der Tag der Bildung ist aus der Erkenntnis geboren, dass Bildung keine Rolle spielt - immer noch", sagt Nellen. Bildung sei nach wie vor kein Thema im Wahlkampf, dem Lehrerberuf fehlten Respekt und öffentliche Anerkennung.
Der Aktionstag ist nicht nur von Erziehern organisiert, sondern richtet sich auch an sie: "Wir wollen andere Lehrer mit aufwecken und alle, die mit Bildung zu tun haben", sagt Wolfgang Tröster, GEW-Kreisvorsitzender Main Spessart. Die Pisa-Studie, so der Gymnasiallehrer aus Karlstadt, habe schon für einen Aha-Effekt in der Bevölkerung gesorgt: "Die Aufmerksamkeit wächst." Was sich im Bildungswesen zum Positiven verändert, da sind sich Tröster und Nellen einig, "hängt meist von den Lehrern selber ab". Das Methodentraining am Gymnasium in Karlstadt, die Schulverfassung am Gymnasium Veitshöchheim, Streitschlichter-Projekte in Lohr, Tutoren-Systeme - Neuerungen gibt es nur dort, wo rührige, mutige Lehrer arbeiten. Flächendeckend verbreitet sind solche Entwicklungen in Unterfranken nicht. Schulaufsicht als BremseDas größte Engagement nützt nichts, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen: Nicht alles, was sich in den Schulen bewegt, wird von den Ministerialbeauftragten wohlwollend gesehen. "Wir haben Beckmesser als Schulaufsicht", sagt Nellen. Und Tröster ergänzt: "Viele Versuche scheitern am Geld." Seine Kollegen in Karlstadt haben für Fortbildungen und Computerkurse schon in die eigene Tasche gegriffen. Jahrgangstests, Leistungsvergleiche und eine Qualitätsagentur, wie sie Kultusministerin Monika Hohlmeier gerade angekündigt hat - "das sind falsche Schritte, um gegen die Bildungsmisere vorzugehen", sagt Sonya Popa-Henning, Bezirksschülersprecherin der Gymnasien. "Reformen von oben nutzen nichts." Die soziale Chancen-Ungleichheit ist für die Schülerin vom Würzburger Wirsberg-Gymnasium das größte Problem des Bildungssystems. Die dringendste Forderung von Albrecht Sylla, dem GEW-Bezirksvorsitzenden, ist: "Den Elementarbereich besser ausstatten." In den Kindergärten müsse der Bildungsgedanke stärker in den Vordergrund rücken. Dorothea Gollwitzer, Leiterin des Integrativen Kindergartens Würzburg, wird zornig, wenn sie den Spruch vom Ernst des Lebens hört, der mit der Schule beginne. Kindergärten müssten ein Teil des Bildungssystems werden. "Die reichsten und prägendsten Lernerfahrungen machen die Kinder bis zum siebten Lebensjahr", sagt Gollwitzer und fordert einen höheren Stellenwert für Kindergärten und Erzieher. Um die frühkindliche Bildung dreht sich heute Abend deshalb in Aschaffenburg eine Podiumsdiskussion. Menschenbildner gefragtBleibt der Griff an die eigene Nase. "Es ist zu oft passiert,
dass nicht die Besten Lehrer geworden sind", sagt Jörg Nellen.
Nicht der beste Wissenschaftler sei an den Schulen gefordert, sondern
der "motivierte Menschenbildner". An der Lehrerausbildung,
sagt Jochen Frankl von der GEW-Hochschulgruppe Würzburg, müsse man
deshalb zuallererst ansetzen. Noch vor Debatten um die integrierte
Gesamtschule. In Würzburg vor dem Rathaus wird Frankl heute mit seinen
GEW-Kollegen Würstchen verteilen. Und auf Entwicklungen an
Unterfrankens Schulen aufmerksam machen. Nellen: "Wir zeigen, dass
es sehr gute Bildung gibt - und davon zu wenig."
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Von unserer Mitarbeiterin Alice Natter |