26.06.2003 19:22
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"Impulse von oben sind Aktionismus" | |
Die Basis macht mobil, Lehrer, Eltern und Schülervertreter
rufen den "Tag der Bildung" aus. Jörg Nellen vom
GEW-Bezirksverband Unterfranken über die heutige Aktion.
Frage: Ist das Thema Bildung nach der Pisa-Studie nicht schon häufig genug in den Schlagzeilen? Jörg Nellen: Der Turm von Pisa ist 830 Jahre alt und erst jetzt durch ein solides Fundament gesichert. Das kann man von der Bildung in Bayern noch nicht sagen. Die GEW will nicht so lange warten, sondern den Reformprozess beschleunigen. Also eine Aktion, die zeigen soll, dass das Bildungswesen von unten verbessert werden muss? Nellen: Veränderungen finden nicht von oben statt, sie passieren in der Bärchengruppe des Kindergartens Retzbach, in meinem Klassenzimmer in Schweinfurt, im pädagogischen Seminar der Uni. Erzieherinnen, Lehrkräfte, Studierende haben die Kraft der Reform in der Hand. Da kann jeder gleich morgen anfangen, ohne auf Vorgaben zu warten. Impulse von den Behörden kommen als Aktionismus bei uns an. Ohne Sie zum Jammern zu verleiten - wo brennt es in Unterfranken? Und was müsste als Dringendstes getan werden? Nellen: Bei den Kindern und Jugendlichen brennt es. Bildung ist wieder mehr eine Sache des Geldbeutels. Der Wohnort und der finanzielle und familiäre Hintergrund bestimmen in erster Linie, ob ich ins Gymnasium gehe oder in die Hauptschule, nicht meine Begabung. Wir sollten uns nicht mehr fragen: Passt du in meine Lerngruppe? Und damit Kinder und Jugendliche einstufen, aussondern. Dazu brauchen wir aber die Rahmenbedingungen. Die Pisa-Studie hat ja gezeigt: Wir brauchen nicht 16 verschiedene Bildungs-Systeme, sondern eine Schule für alle. Als Mutmacher - wo hat sich in Unterfranken in Sachen Bildung denn schon etwas vorbildhaft bewegt? Nellen: Dort, wo Kinder nicht nur betreut werden, sondern ihnen zugetraut wird, sich zu entwickeln und gemeinsam zu lernen wie in Würzburg im Integrativen Kindergarten oder im Miteinander-umgehen-trainieren-Projekt von Astrid Hermann und Renate Schäfer. Dort, wo die Grundschule die vielen Verschiedenheiten der Kinder zulässt und pädagogisch nutzt wie in der Montessori-Schule Zell. Und dort, wo Kollegen durch innovative Ansätze neu motiviert werden, wie im GEW-Fortbildungsprojekt "Schule anders". Dünne Lichtstreifen am Horizont. Sonst ist es noch finster in Franken. |
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Das Gespräch führte alice NAtter |