Mit dem Rücken an der Wand09.06.2002 16:42
Marktheidenfeld Die Mängelliste war lang: Kaum eine Klasse unter 30 Schüler, immer mehr Verwaltungsarbeit, Unterrichtsausfälle trotz Überstunden, Berge von Prüfungskorrekturen, unklare Zukunftsperspektiven. Dies waren nur einige der Punkte, die Lehrkräfte von unterfränkischen Fach- und Berufsoberschulen (FOS/BOS) den SPD-Landtagsabgeordneten Hartmann und Pranghofer am Freitagnachmittag beim Treffen in Marktheidenfeld vortrugen.
FOS- und BOS-Lehrkräfte klagen über Arbeitsbelastung und Unterrichtsausfall
"Die Lehrkräfte an Fach- und Berufsoberschulen fallen in der Schuldiskussion oft hinten runter," begründete der Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Albrecht Sylla (Hösbach), die Einladung der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) nach Marktheidenfeld. Dort berichteten Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Unterfranken der bildungspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Karin Pranghofer (Aschaffenburg), und ihrem Kollegen vom Haushaltsausschuss, MdL Gerhard Hartmann (Reichenberg), sehr anschaulich über ihre Arbeitsbelastung. Auch die Kolleginnen und Kollegen dieser Schularten stünden laut Sylla "kräftemäßig mit dem Rücken an der Wand"."Wir können nicht einmal unsere Grundaufgaben richtig machen "
Jörg Nellen GEW-Kreisvorsitzender
Nachdem die beiden SPD-Abgeordneten über die aktuelle bildungspolitische Diskussion in Bayern informiert und auf die unter schwierigen Vorzeichen stehende Beratung des Doppelhaushalts 2003/04 hingewiesen hatten, kamen die Lehrer zum Zuge. Ohne Unterschied berichteten die Pädagogen von Klassenstärken über 30 mit hohem Anteil von Schülern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, berichteten von enormem Verwaltungsaufwand, insbesondere im Zusammenhang mit den Aufnahmeprüfungen, und von Unterrichtsausfällen. "Die Qualität leidet," zog GEW-Vorsitzender Albrecht Sylla Bilanz.
Lange wurde über die so genannte Budgetierung diskutiert. "Wenn das Kultusministerium sagt, Budgetierung bedeutet keinen Unterrichtsausfall, dann ist das schlichtweg falsch," berichtete eine Lehrkraft. Und aus der FOS Marktheidenfeld hieß es: "Wir haben 120 Stunden anstehen für das kommende Schuljahr und wissen noch nicht, wie wir sie besetzen sollen."
Würzburgs GEW-Kreisvorsitzender Jörg Nellen forderte einen Paradigmenwechsel. "Wir können nicht einmal unsere Grundaufgaben richtig machen," meinte er, "und sollen mit weniger Geld den Erwartungen der Kinder und Eltern sowie der Forderung der Gesellschaft gerecht werden." Von den Pädagogen deutlich gemacht wurde auch, dass es ihnen nicht nur um ihre ganz persönliche Arbeitsbelastung geht. "Es geht auch um die Förderung der Jugendlichen." Nicht wenige Schüler hätten psychische Probleme, einige auch Probleme im Umgang mit Drogen.
Empört berichteten die Lehrkräfte außerdem den Abgeordneten von Kontrollen, über die sie selbst nicht informiert worden seien. So habe die Aufsichtsbehörde über die Schülermitverantwortungen die Schüler aufgefordert, die Qualität der Betreuung durch die Lehrer zu beurteilen.
Karin Pranghofer und Gerhard Hartmann ermutigten die Beamten, nicht zu schweigen, sondern sich gemeinsam mit den Eltern mit Petitionen an den Landtag zu wenden und das Abstellen der Missstände zu fordern. "Wenn jetzt kein Aufschrei kommt," so Hartmann mit Hinweis auf die anstehenden Haushaltsberatungen, "dann wird die Stellschraube noch enger angezogen."