Sprachförderung in Spiel und Projekte einbetten!

- Michael Köditz, Fachbuchautor, Lehrer und Ausbilder von ErzieherInnen zu Gast bei GEW Aschaffenburg-Miltenberg
- "Betriebswirtschaftliche Ausrichtung der Vorschuleinrichtungen behindert nachhaltige pädagogische Arbeit"
- "Statt isolierter Kurse Sprachförderung in Spiel und pädagogische Projekte einbetten!"
- GEW: Integration und Inklusion nicht auf Sprachförderkurse verkürzen!

Die PISA-Diskussion um Mängel in den Sprachkompetenzen bei deutschen Schülereinnen und Schülern hatte sehr rasch zwei Ursachen ausgemacht, die immer wieder in der Öffentlichkeit angeführt wurden: Erstens der hohe Anteil an Kindern in deutschen Schulen, die Deutsch als Zweitsprache sprechen. Zweitens eine angeblich unzulängliche Sprachförderung in den Vorschuleinrichtungen. Diese Argumentation bekommen die Fachkräfte inzwischen auch wiederholt von Eltern zu hören, die handfeste Lernerfolge im Kindergarten einfordern. Dass darüber ihre bisherige Arbeit als unzureichend kritisert wird, verunsichert inzwischen viele ErzieherInnen.

Vor diesem Hintergrund hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Aschaffenburg-Miltenberg im Rahmen ihrer Monatsversammlung ins Martinushaus Michael Köditz eingeladen zu einem Themenabend „Sprachförderung im Kita-Alltag - Spiel oder Training?“

Köditz, Fachbuchautor, Lehrer an einer Fachschule in Offenbach und Ausbilder von Erzieherinnen, kritisierte die wachsende „Verbetriebswirtschaftlichung“ von pädagogischen Einrichtungen, die zu isolierten und teuren Trainingsprogramme dränge wie z.B. das Kon-Lab-Programm von dem Schweizer Zvi Penner oder das „Würzburger Programm“ („Hören, Lauschen, Lernen“). Diese Programme seien oft nur für spezielle Sprachstörungen bzw. Behinderungen konzipiert. An ihrer Stelle sollten Angebote gemacht werden, die den kommunikativen Austausch und somit den Spracherwerb in ganzer Breite förderten. „Die Hirnforschung belegt, dass Sprache, Handeln und Emotion in unmittelbarer Beziehung zueinander stehen“, erläuterte Köditz. „Kinder, die gemeinsam aktiv sind, sprechen miteinander – nicht nur, um gemeinsame Ziele zu erreichen, sondern vor allem auch aus der Freude am Miteinander“. Diese kindliche Lust könne wesentlich stärker zum Spracherwerb motivieren als jedes aufgesetzte Übungsprogramm, selbst wenn es durch moderne Medien gestützt werde. Er ermunterte die PädagogInnen dazu, für den Spracherwerb der Kinder in den vorschulischen Institutionen eigene Programme zu entwickeln und ihn in zahlreiche Aktivitäten und Situationen einzubetten. Eine Fokussierung auf das sprachpädagogische Ziel, die Kinder „zum Sprechen“ zu bringen - möglicherweise noch in von ihrer gewohnten Lebensumwelt abgelösten Förderkursen -, könne ohnehin nur Teilfunktionen der kindlichen Sprachbeherrschung unterstützen und bewirke oft das Gegenteil. Sprachförderung müsse unter die vorrangige Beachtung der Gesamtpersönlichkeit des Kindes gestellt werden. Der formal korrekte Spracherwerb sei dann das Nebenprodukt eines aktiven und interessegeleiteten Bezuges des Kindes auf seine Umwelt.

Die anwesenden Erzieherinnen beklagten, dass gerade mit der Einführung der neuen bayerischen Förderrichtlinien betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte die pädagogische Arbeit in den Einrichtungen überlagerten und der beabsichtigte und immer stärker werdende Konkurrenzdruck über das Buchungsverhalten der Eltern eine nötige, zeitintensive Entwicklung von spielerischer Sprachförderung regelrecht verhinderten. Eltern würden sehr oft lieber Sprachförderkurse nachfragen als sich bereit zu erklären, in gemeinsamen Projekten entscheidende Anregungen zur Sprachentwicklung über längere Zeiträume und im alltäglichen Umgang mit Erwachsenen und anderen Kindern zu geben.

GEW-Kreisvorsitzender Reinhard Frankl, wies darauf hin, dass für frühe Sprachförderung ausreichend und qualifiziertes Fachpersonal zu Verfügung stehen müsse. Während z.B. Finnland Migrantenkindern je nach Bedarf bis zu 20 Wochenstunden über mehrere Jahre Sprachförderung kostenlos erteilt, gewähre das bayerische Kultusministerium hierfür ein Jahr lang 4 Wochenstunden. Er forderte, dass ein stimmiges Inklusions-Gesamtkonzept im Bildungsbereich schon gar nicht auf Sprachförderkurse verkürzt werden dürfe. Es müsse ein gemeinsames Lernen aller Kinder und Jugendlichen bis zum mittleren Schulabschluss umfassen.

----------------
Reinhard Frankl Morgenweg 17 63856 Bessenbach 06095 995049