Weniger
Soldaten, aber kein Rückgang Friedensforscher Dr. Hendrik Bullens in Aschaffenburg: Wenig Hoffnung auf Abrüstung Aschaffenburg. Man kann dem Referenten Dr. Hendrik Bullens sicher eine hohe Fachkompetenz in Sachen Friedensforschung unterstellen, professioneller Vortrag und Reduktion auf das Wesentliche sind nicht sein Ding. Aber vielleicht ist das bei einem so komplexen Thema, wie er es am Freitagabend im Aschaffenburger DGB-Haus vor etwa 30 Zuhörerinnen und Zuhörern bearbeiten sollte, auch sehr schwer. Bullens sprach in seinem mehr als einstündigen Vortrag über den Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik im vergangenen Jahrzehnt, also über einen Zeitraum, als der kalte Krieg beendet war und der potentielle Feind im Osten zahnlos. Ein Zeitraum auch, den bis vor einem Jahr die Regierung Kohl politisch zu verantworten hatte. Wer sich gemeinsam mit Bullens durch die Zahlenberge und Verteidigungsbudgets gearbeitet hatte, stellte schnell fest, dass die leise Hoffnung der Friedensbewegten, die Abrüstung habe nun mit Beginn der 90er eine reelle Chance, vergebens war. Im Gegenteil, die Ausgaben für die Aktivitäten der Hardthöhe von Anfang der 90er mit knapp unter 50 Milliarden stiegen bis 1994 auf 53 Milliarden kontinuierlich an. »Ganz zu schweigen von den versteckten Summen, die in den Haushalten anderer Ministerien untergebracht wurden. Besonders Stoltenberg war da sehr findig«, so Bullens, der an der Augsburger Universität zum Thema Friedensforschung arbeitet. Er wies darauf hin, dass zwar im Laufe der letztenjahre die Zahl der Soldatenverkleinert wurde (1990: 500 000 Soldaten, 1996: 340 000), dies aber keineswegs auf einen Rückgang der Rüstungsbemühungen verweise. Moderne Waffen, wenig Personal Hier habe nämlich die gleiche Entwicklung stattgefunden wie in vielen anderen Bereichen, die so genannte »Lean production«. Im Klartext: Es gibt immer modernere, intelligente Waffen, die von immer weniger Personal bedient werden müssen, weil sie programmierbar sind. Der Golfkrieg und der Krieg im Kosovo haben bewiesen, dass solche Waffen längst im Einsatz sind. Wo aber neue Rüstung gebaut und entwickelt werde, blieben große Lager überholter Rüstung zurück. Die wiederum lasse sich gut an Länder im zweiten Glied verkaufen, also an solche, die nicht über Mittel verfügen, sich an der High-Tech-Aufrüstung der Industriestaaten zu beteiligen. Während Rühe aber nur ein limitiertes Kontingent davon im Jahr habe verkaufen dürfen und den Erlös an den allgemeinen Haushalt abführen musste, dürfe nun Scharping unter rot-grüner Federführung unbegrenzt verkaufen und sich die Millionenerlöse mit Finanzminister Eichel teilen. Auch ist, so Bullens, die rot-grüne Regierung weit davon entfernt abzurüsten. Denn auch wenn Scharping in der Öffentlichkeit darstelle, er spare, nur weil er auf eine Mehrforderung in Milliardenhöhe verzichte, so habe jener das Prinzip des Sparens nicht verstanden. Sparen könne man nur das, was man hat, und nicht das, was man wollte und nicht bekam. Scharping liege mit seinem prognostizierten Budget für den nächsten Haushalt mit 47,3 Milliarden genau da, wo auch Rühe hinwollte. Globale Interventionsmacht Der zweite Teil des Vortrags, zu dem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Aschaffenburg-Miltenberg und das Aschaffenburger Friedenskomitee eingeladen hatten, beschäftigte sich mit der Entwicklung der NATO weg vom transatlantischen Verteidigungsbündnis hin zur globalen Interventionsmacht. Bullens kritisierte, dass die NATO-Staaten 1997 in Madrid ein Konzept verabschiedet hatten, das die Aufgaben und den Einsatzbereich zu weit ausdehne und die Einsatzschwelle für militärische NATO-Einsätze herabsetze. 700 Milliarden Mark würden jährlich weltweit für Rüstung und deren Entwicklung ausgegeben. MAIN-ECHO, 19.10.1999
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