MAIN-ECHO

19.5.1999

GEW: Ausbildung beginnt bereits im Kindergarten

Außerordentlicher Gewerkschaftstag in Würzburg

Würzburg. Eine Reform des bundesdeutschen Bildungswesens hat die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Eva-Maria Stange zum Auftakt des außerordentlichen Gewerkschaftstages ihrer Organisation in Würzburg gefordert. Eine zeitgemäße Erziehung, Bildung und Ausbildung sei die Voraussetzung für die Zukunft jedes Einzelnen und für die Entwicklung der Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik, sagte Stange am Dienstag.

»Bildung ist ein Wert an sich, aber auch die mit Abstand wichtigste Innovations- und Produktionsressource«, sagte Stange. Auf dem außerordentlichen Gewerkschaftstag, der heute nachmittag im Würzburger Congress-Centrum zu Ende gehen wird, will die GEW die Weichen für ihre Zukunft stellen. Nach dem Willen des GEW-Hauptvorstandes soll sich die rund 280000 Mitglieder zählende Organisation zu einer eigenen »Bildungsgewerkschaft« unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) weiterentwickeln. Kleinere GEW-Landesverbände ­ etwa Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz ­ hatten dagegen signalisiert, sich dem Fusionsprozeß von ÖTV, IG Medien, Postgewerkschaft, HBV und DAG zu einer neuen »Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft« (Ver.di) anschließen zu wollen.

Im Vorfeld der Debatte sprach sich die Bundesvorsitzende dafür aus, die GEW zu einer »tariffähigen Bildungsgewerkschaft« zu entwickeln. Es komme in Zukunft entscheidend darauf an, so Stange, eine Interessenvertretung aller im Bildungs- und Erziehungsprozeß pädagogisch Tätigen zu sein. Dazu zählen nach Überzeugung der GEW-Bundesvorsitzenden die Erzieher und Erzieherinnen im Kindergarten ebenso wie die Beschäftigten an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Zu einer grundsätzlichen Bildungsreform in Deutschland gehört nach Eva-Maria Stanges aber auch die Einsicht, daß Bildung nicht erst mit der Einschulung beginne. »Der Bildungs- und Erziehungsauftrag des Kindergartens muß gestärkt werden.« Bis zur Pubertät entwickle der Mensch seine Lernfähigkeit, deshalb müßten schon in Kindergarten und Grundschule optimale Lern- und Förderbedingungen geschaffen werden. Dazu gehört nach Auffassung Stanges die Ausbildung von Erziehern und Erzieherinnen an den Hochschulen und die bundesweite Streichung der Kindergartengebühren.

Die Entscheidung über die Ausbildung der Erzieher und Erzieherinnen in den Kindergärten und über die Kosten des Kindergartenbesuchs dürfe nicht mehr in der Hand von freien Trägern, Kirchen oder Kommunen liegen. Hier müßten bundesweite Standards nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz geschaffen werden, forderte Stange.

»Es ist Aufgabe von Staat und Gesellschaft, die materiellen und personellen Voraussetzungen für ein humanes und leistungsfähiges Bildungswesen zu schaffen«, verlangte die GEW-Vorsitzende mit Blick auf die immer mehr »ausufernde Privatisierung« der Finanzierung von Bildung. Schulgeld und Studiengebühren werde es mit der GEW nicht geben.