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Main-Echo vom 5.3.1997
300 Demonstranten bildeten eine Menschenkette gegen Verlust an
Humanität
Gewerkschaften und Bildungseinrichtungen protestierten gegen
neues Arbeitsförderungsgesetz
Eine Menschenkette gegen die Kürzung der Mittel bei der
Förderung behinderter und benachteiligter Jugendlicher
bildeten gestern nachmittag die Beschäftigten und Schüler
der Gesellschaft zur Beruflichen Förderung Aschaffenburg und
Mitarbeiter des Klosters Himmelthal in Elsenfeld. An der
Protestaktion in der Innenstadt beteiligten sich rund 300
Menschen, darunter auch Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW), der ÖTV sowie der Katholischen
Arbeitnehmer Bewegung. Die Menschenkette zog sich fast durch die
gesamte Herstallstraße. Hintergrund des Protestes sind
die zu erwartenden Auswirkungen der vom Bundestag beschlossenen
Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Das Gesetz
wird am 1. April rechtskräftig, falls der Bundesrat ihm
zustimmt. Danach wird es nach Aussage der GEW keinen
Rechtsanspruch mehr auf berufliche Rehabilitation geben.
Ausgenommen davon sei die Gruppe der Schwerbehinderten mit einem
Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent.
»Verheerende« Folgen
Rehabilitationsmaßnahmen wie Förderlehrgänge
seien dann nur noch Kann- Bestimmungen, die sich nach der
Haushaltslage der Arbeitsämter richten. Der des Arbeitsamtes
Nordbayern sei aber von 110 Millionen Mark 1996 auf 80 Millionen
1997 gekürzt worden. Fördermaßnahmen, auf die kein
Rechtsanspruch bestehe, würden die Arbeitsämter folglich
notgedrungen streichen. Für die rund 8000 Schülerinnen
und Schüler an den unterfränkischen Förderschulen
habe das laut GEW »verheerende« Folgen. Bisher, so
GEW-Bezirksvorsitzender Albrecht Sylla in einer Pressemitteilung,
besuche der überwiegende Teil der Jugendlichen, die aus der
Schule zur individuellen Lernförderung (früher
Sonderschule für Lernbehinderte) kommen, einen einjährigen
vom Arbeitsamt finanzierten Förderlehrgang. Diese Lehrgänge
in privaten Bildungseinrichtungen (zum Beispiel bei der
Gesellschaft zur beruflichen Förderung in Aschaffenburg oder
beim Kolping-Förderungszentrum in Würzburg) ermöglichten
den Sonderschülern erst, eine Berufsausbildung beginnen zu
können; für die Ausbildung in einem Berufsbildungswerk
seien sie gar Voraussetzung. Ohne diese Kurse, so Sylla, hätten
die Förderschulabgänger heute auf dem Ausbildungsmarkt
keine Chance mehr.
Ins Nichts
- »Wenn wir ab Sommer 1997 Förderschulabgänger
ins Nichts entlassen und sie sich auf lebenslange Sozialhilfe
einstellen müssen, so ist dies ein Abrücken vom bislang
ungeteilten Konsens, daß benachteiligte und behinderte
Menschen Anspruch auf Nachteilsausgleich haben. Sparmaßnahmen
auf diesem Gebiet sind ein Verlust an Humanität«,
stellt Sylla fest.
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