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Presseerklärung vom 14.2.1997
Bayern vorne - bei der Höhe der durchschnittlichen
Klassenstärken
»Bei jeder sich bietenden Gelegenheit rühmt das
bayerische Kultusministerium den angeblich herausragenden
Stellenwert seiner Bildungspolitik. Wenig rühmlich ist jedoch
Bayerns Spitzenposition bei den durchschnittlichen
Klassenstärken.« So kommentierte Reinhard Frankl,
Vorsitzender des Kreisverbandes Aschaffenburg der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW), einen Ländervergleich zur
Situation an deutschen Schulen im vergangenen Schuljahr. Die
Untersuchung zeigt, daß 1995/96 in Bayern mehr Schüler
in Grund- und Sonderschulklassen saßen als in jedem anderen
Bundesland. Die bundesdurchschnittliche Klassenstärke an
Grundschulen betrug 22,5 Schüler, in Bayern waren es 24,3.
Auch an Sonderschulen wurde in Bayern in größeren
Klassen (Durchschnitt 13,6 Schüler) als im Bundesdurchschnitt
(12,5 Schüler) unterrichtet. In den Jahrgangsstufen 7 bis 10
der allgemeinbildenden Schulen liegt Bayern auf dem vorletzten
Platz. Am besten schneidet das Bundesland, das sein
Bildungssystem gerne als besonders beispielhaft anpreist, noch in
den Jahrgangsstufen 5/6 ab. Hier belegt es den 11. Rang.Die
Aufwendungen für Schulen im Verhältnis zu anderen
Ausgaben und bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt Bayerns sinken
seit Jahren kontinuierlich. Wurde 1975 noch ein Anteil von 2,42
Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung ausgegeben,
waren es 1994 nur noch 1,63 Prozent. Um das Niveau der
Unterrichtsversorgung von 1990 zu halten, wären in den
letzten Jahren 10400 neue Lehrerstellen nötig gewesen. Nur
1900 wurden geschaffen. Ein Ende der Kürzungen ist allerdings
nicht abzusehen. Im Gegenteil: Auch in den nächsten beiden
Schuljahren werden die Schülerzahlen um etwa 50000 weiter
ansteigen. Dafür ist keine einzige Planstelle vorgesehen.
Stattdessen werden zum Beispiel mit der Einführung des neuen
Hauptschullehrplans in einem ersten Schritt etwa 500 Stellen
eingespart. Wie schon letztes Jahr werden fertig ausgebildete
Lehrer keine Anstellung erhalten. Voraussichtlich gibt es nur für
1000 von 2500 Bewerbern eine Stelle. Eine zentrale Forderung der
GEW ist daher die zusätzliche Schaffung von Planstellen für
die nächsten beiden Schuljahre; allein 3200 wären
erforderlich, um den Status von 1996/97 aufrechtzuerhalten. »Die
GEW kennt natürlich die prekäre Situation der
öffentlichen Haushalte«, bemerkte Reinhard Frankl. »Wir
sind aber nicht bereit, uns nur noch mit dem Argument der leeren
Kassen abspeisen zu lassen.« Die verantwortlichen
Politiker jammerten über einen Zustand, den sie teilweise
selbst mutwillig herbeigeführt hätten und weiter
verschärften. Trotz sinkender Staatseinnahmen verteilten sie
durch die Abschaffung der Vermögenssteuer oder die geplante
Absenkung des Spitzensteuersatzes großzügige Geschenke.
Dazu werfe die Finanzierung von fragwürdigen Großprojekten
wie dem Forschungsreaktor in Garching die Frage auf, nach welchen
Prioritäten politische Entscheidungen getroffen werden. "Es
ist nicht einzusehen, warum Kinder und Jugendliche, die nur das
Pech haben, in Zeiten von zunehmenden Schülerinnen- und
Schülerzahlen die Schule zu besuchen, dafür büßen
müssen. Vernachlässigt eine Gesellschaft die Bildung und
Erziehung ihrer Kinder, nimmt sie diesen ihre Zukunft",
warnte Frankl. Zusätzlich zu den finanziellen
Einschnitten verschlechtere sich die Situation an Bayerns Schulen
drastisch. Beispielsweise verschärfe der Modellversuch der
sechsstufigen Realschule die Auslese nach der 4. Jahrgangsstufe,
schaffe ein härteres Lernklima und schränke die
Durchlässigkeit der verschiedenen Schulzweige ein. Frankl
äußerte die Befürchtung, daß schonungslosere
Schulbedingungen und zunehmende Perspektivlosigkeit immer mehr
frustrierte Jugendliche schaffe, die zu gewalttätigem und
radikalem Verhalten neigten.
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