MAIN-ECHO, 06.06.2005
Arbeitslosigkeit vom Kapital
gemacht«
FH-Professor Rainer Roth geht mit politisch Verantwortlichen hart ins Gericht Aschaffenburg. »Nun haben wir den Hartz« - unter diesem Motto ging der Frankfurter FH-Professor Rainer Roth bei einem Vortrag im Aschaffenburger DGB-Haus hart mit den politisch Verantwortlichen ins Gericht. Und traf auf ungeteilte Zustimmung der etwa 50 Zuhörer. Eingeladen hatten attac Aschaffenburg und der Kreisverband Miltenberg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Kanzler Schröder spreche im Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Hartz IV nicht von Betroffenen, sondern von Missbrauch, Hängemattenmentalität und Faulheit, eröffnete Roth das Feuer auf Entscheidungsträger in der Regierung, auf Michael Rogowski, Bert Rürup und Chef-Ökonom Hans-Werner Sinn, und aufs Kapital im Allgemeinen. Schuld an der Arbeitslosigkeit sei nicht die Faulheit der Menschen, schuld seien der gesunkene Bedarf des Kapitalismus an Arbeitskräften und die fortgeschrittene Technik. Die Folge: Die Arbeit werde weniger und »Problemgruppen, vor allem Ältere, werden vom Kapital aussortiert«. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu Hartz IV, die in Wirklichkeit eine Kürzung der Bezüge sei, solle der Anreiz, wieder arbeiten zu gehen, erhöht werden, erklärte Roth, um nach einer Kunstpause nachzusetzen: »Dabei lässt das Kapital sie gar nicht.« Mehr als einmal lachte der Professor für Sozialwissenschaften angesichts der paradoxen Szenerie gewollt bitter und erntete energisches Nicken und zustimmende Zurufe. Ziel des politischen Vorgehens sei einzig und allein das Einsparen von Geldern, sagte Roth. »Man versucht, Arbeitende und Nicht-Arbeitende mit dieser Missbrauchskampagne gegeneinander aufzubringen, um Kürzungen auf beiden Seiten - sowohl bei den Sozialleistungen, als auch bei den Lohnkosten - zu erreichen«, rief Roth, der auch mit bissiger Ironie nicht sparte: »Es muss in die Gehirne eingehämmert werden, dass man bei Arbeitslosigkeit zuerst an Missbrauch und Faulheit denkt.« Da die Arbeitslosigkeit vom Kapital hervorgerufen werde, solle auch das Kapital kollektiv dafür aufkommen, leitete Roth seinen Forderungskatalog ein. Die Kürzung der Gewinnsteuer müsse wieder zurückgenommen werden und der Mindestlohn zehn Euro pro Stunde betragen. Außerdem müsse der derzeit bei 345 Euro liegende Regelsatz für Hartz IV-Empfänger auf 500 Euro erhöht werden. Eine Erklärung, wie das Kapital konkret zu diesen Maßnahmen verpflichtet werden solle, blieb Roth allerdings schuldig. Dass etwas getan werden müsse, darüber waren sich die Zuhörer in der anschließenden Diskussion einig - nur wie, lautete die Frage. »Das ganze Gerede bringt doch nichts«, warf ein Zuhörer resigniert in den Raum. »Die Wähler, das Volk, sind eine Kraft; es müssen sich diejenigen zusammenschließen, die unter die Räder kommen«, konterte Roth. Allerdings brauche man eine wahnsinnige Geduld. nab Erscheinungsdatum: 06.06.2005 Info: Vortragsskript |