MAIN-ECHO, 12.05.2005
»Eine Schule für alle«
Gewerkschaft stellt neue Initiative in Unterfranken vor Würzburg. Schule in Bayern, kritisiert Oskar Brückner, Landesvorsitzender der bayerischen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), ist eine »Schule der Entsorgung«. Sowie ein Schüler in einem Zweig des Schulsystems nicht mehr die geforderte Leistung erbringt, werde er in einen anderen Zweig »entsorgt«. Diesem System wolle die GEW ihr Konzept der »Einen Schule für alle« entgegenstellen. Brückner (Foto: Christ) stellte die vor knapp zwei Wochen gegründete Initiative jetzt in Würzburg vor. Innerhalb des bestehenden Schulsystems, so seine Überzeugung, können keine Veränderungen zum Wohle der Schüler erreicht werden. So dürfe es nicht so viele Schulabgänger ohne Abschluss geben - in Bayern seien es knapp zehn Prozent. Drastisch reduziert werden müsste außerdem die Quote der Schüler, die eine »Ehrenrunde« drehen, sowie die mit über 20 Prozent erschreckend hohe Zahl der Schüler, die durch das System »nach unten durchrutschen« - also vom Gymnasium auf die Realschule oder von dort auf die Hauptschule wechseln. Keinen Glauben schenkt Brückner der jüngsten Ankündigung von Kultusminister Siegfried Schneider, jeder Schüler solle im bestehenden Schulsystem »bestmöglich« gefördert werden. »Womit soll dies geschehen?«, fragt der ehemalige bildungspolitische Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag. Es herrsche chronischer Lehrermangel in Bayern, allein daran scheitere ein individuelles Eingehen auf das Kind. Nach den Vorstellungen des GEW-Landesvorsitzenden soll das Jahr 2005 der Aufklärung der Bevölkerung über die - vielen noch exotisch erscheinende - Idee der »Einen Schule für alle« dienen. Besonders aus dem Gymnasialbereich, befürchtet Brückner, werden massive Widerstände kommen, denn dort stünden die meisten Privilegien auf dem Spiel. So hielten Gymnasiallehrer weniger Stunden als Hauptschullehrer, erhielten aber mehr Lohn, hätten bessere Aufstiegschancen und unterrichteten weit weniger schwierige Schüler. Die nächsten Informations- und Aktionsschritte werden in einer 15-köpfigen GEW-Arbeitsgruppe in München diskutiert. Fest stehe bereits, dass es am 19. November einen bayernweiten GEW-Kongress zum Thema »Eine Schule für alle« geben wird. Dabei wird es um die wissenschaftliche Unterfütterung der Idee »Eine Schule für alle« gehen. Zu den bayerischen Forschern, die sich am meisten für die Gemeinschaftsinitiative von GEW, Bayerischem Elternverband und Landesschülervertretung engagieren, zählt der Münchner Pädagoge Professor Dr. Kurt Singer. Der kritisiert, dass Schüler durch das viergliedrige Schulsystem in Bayern »künstlich voneinander fern gehalten« werden. Im Freistaat würden außerdem tausende Kinder, die das Klassenziel nicht erreichen, »fallen gelassen statt aufgefangen«. Nach seiner Vorstellung ist »Eine Schule für alle« eine »Arbeits- statt Zuhörschule«. Kinder und Jugendliche würden selbst tätig, was ihre Lernbereitschaft erhöhe. Der Unterricht werde nicht »im 45-Minuten-Takt zerstückelt«, Freiarbeit sei das Kernstück des Unterrichts. pat
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