MAIN-ECHO 07.02.2004

"Methode Billig geht nicht!"

Runder Tisch Bildung wird "Aktion Schulterschluss" von Lehrern, Schülern und Eltern

Aschaffenburg. Das Wort "Elite" geht derzeit vielen leicht von den Lippen: Kanzler Schröder und Bayerns Ministerpräsident Stoiber benutzen es, Unternehmenschefs und stolze Eltern von Musterschülern. "Das macht mir höllische Angst", sagte Vater Thorsten Rummer aus Glattbach und traf mitten hinein ins Thema des Runden Tisches Bildungspolitik am Donnerstag Abend in Aschaffenburg.

Dort wurde Kritik an der bayerischen Staatsregierung formuliert, die derzeit dabei ist, ihre Pläne für das achtstufige Gymnasium umzusetzen. Einerseits propagiere das Kultusministerium Elitenbildung, was zur gnadenlosen Auslese an Bayerns Schulen führe, andererseits versuche es, mit rigorosen Kürzungen, finanziellen Mehrbelastungen der Eltern und immer höherer Arbeitsbelastung der Lehrer eine "Billigheimerlösung" des Bildungswesens durchzusetzen. Leitragende dieser Sparpolitik im Bildungswesen seien alle: Schüler, Lehrer, Eltern und letztendlich das gesamte künftige Gemeinwesen.

Viele engagierte Eltern

Es war sensationell genug: Am Runden Tisch saßen Vertreter unterschiedlichster Lehrerverbände aus der Region Bayerischer Untermain: BLLV, Katholische Erziehergemeinschaft (KEG), Bayerischer Philologenverband (BPV) und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Unterfranken. Eva Koll und Josef Blank vom Vorstand der Aschaffenburger Schülervertretung waren da und viele engagierte Eltern, unter anderem der stellvertretende Vorsitzende des bayerischen Elternverbands, Professor Dr. Wolfgang Magin.

Gegenseitiges Verständnis

Dass die Anwesenden sich gar zur "Aktion Schulterschluss" zusammentaten, darf als noch größere Sensation gelten. Schon in der vorausgegangenen Sitzung im Aschaffenburger DGB-Haus waren das gegenseitige Verständnis gewachsen und der Wille, sich nicht auseinander dividieren zu lassen. Am Donnerstag wurde beides vertieft.

Die Lehrer meinten, die Qualität des Unterrichts, auf den Schüler einen berechtigten Anspruch hätten, müsse unweigerlich leiden, wenn das Arbeitspensum eines Lehrers über Jahre hinweg zwischen 50 und 60 Stunden pro Woche betrage und ein Teil der Ferien regelmäßig für Korrekturen und Weiterbildung herhalten müsse. Noch Stunden und weitere Aufgaben draufzusatteln, überschreite die Schmerzgrenze.

"Die Schüler sind schwieriger geworden und fordern unsere ganze Persönlichkeit", sagte eine Hauptschullehrerin. Peter Adler, Lehrer an der Volksschule Eschau, machte auf die gesamtgesellschaftliche Tragweite von Bildung aufmerksam: "Wir müssen fragen: Wo geht die Jugend hin?" Erziehungsarbeit Hand in Hand mit den Eltern sei nötig. Reinhard Frankl, Geschäftsführer der GEW Unterfranken, meinte, es gelte ein "strukturelles Problem" zu lösen und dafür das nötige Geld bereit zu stellen, zum Beispiel für pädagogische Ganztagskonzepte in Zusammenarbeit mit Psychologen und Sozialarbeitern.

"Selektieren ist billig", meinte Hans-Dieter Bauer, Vorsitzender des BLLV Aschaffenburg-Land. "Fördern hingegen kostet Geld." Diesen Zusammenhang müssten die Eltern begreifen und ihn von der Politik auch einfordern - damit Lehrer ihre Arbeit ordentlich erledigen und junge Menschen als ganzheitliche Wesen aufs Leben vorbereiten können.

Zwischenzeugnis für Hohlmeier

Bereits am Freitag, 13. Februar, gibt die Aktion Schulterschluss Gelegenheit zur Willensbekundung gegenüber der Staatsregierung. Sie organisiert Busse zu einer Demonstration auf dem Würzburger Residenzplatz (siehe auch: "Gegen Sparpläne: Fahrt zu Hohlmeier"). Dort wird Frankl der bayerischen Kultusministerin Monika Hohlmeier ein "Zwischenzeugnis" der GEW überreichen, wenn sie das Wirsberg-Gymnasium besucht.

Darin steht unter anderem: "Scheint das Vorrücken in die nächste Legislaturperiode auf Grund der stabilen häuslichen Verhältnisse auch gesichert zu sein, so ist das Klassenziel "Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Entwicklung von Qualität in Bildung und Erziehung" auch bei Hilfestellung durch Beratungsfirmen oder Werbekampagnen gefährdet." mel


Gegen Sparpläne: Fahrt zu Hohlmeier

Aschaffenburg. Eine Demonstration gegen die Sparmaßnahmen der bayerischen Staatsregierung im Bildungswesen veranstaltet die "Aktion Schulterschluss" am Montag, 16. Februar, um 13.30 Uhr vor dem Aschaffenburger Friedrich-Dessauer-Gymnasium. Dort tagen zeitgleich ausgewählte Lehrer- und Elternvertreter mit Karl Freller, Staatssekretär im bayerischen Kultusministerium.

Bereits am Freitag, 13. Februar, geht es mit dem Bus nach Würzburg, wo eine ähnliche Informationsveranstaltung mit Ministerin Monika Hohlmeier am WirsbergGymnasium stattfindet.mel

Interessenten können sich melden bei 
Hans-Dieter Bauer, 06021/423915, e-mail hansdieter.bauer@tiscali.de und bei 
Reinhard Frankl, 06095/995049, e-mail rfrankl@gew-unterfranken.de


Massive Protestwelle gegen Spar-Beschlüsse

Besuch Hohlmeiers von Demonstrationen begleitet

Würzburg. Der 13. Februar, ausgerechnet ein Freitag, steht für Monika Hohlmeier unter keinem guten Stern: Ihr Besuch in Würzburg wird von einer massiven Protestwelle gegen die Spar- und Reformbeschlüsse der bayerischen Staatsregierung begleitet.

Erst sind es die Würzburger Sportvereine, die mit einer Großkundgebung bereits ab 12 Uhr ihren Missmut über die Kürzung von Zuschüssen kund tun. Ab 15 Uhr haben dann die unterfränkischen Lehrerverbände zu einer Großdemonstration gegen die bayerische Schulpolitik aufgerufen.

Zu diesem Zeitpunkt wird Hohlmeier, die bereits am Vormittag die neue staatliche Realschule im Würzburger Stadtteil Frauenland ihrer Bestimmung übergeben wird, mit Lehrern, Eltern und Schülern im Wirsberg-Gymnasium über das achtjährige Gymnasium diskutieren - Auftakt zu zahlreichen Diskussionsveranstaltungen in Unterfranken zur Zukunft des Gymnasiums.

Bereits vor dem Wirsberg-Gymnasium soll es, so die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft für Unterfranken (GEW), zu ersten Protesten gegen die nach Auffassung der Lehrerverbände in Teilen verfehlten Schulpolitik kommen. Danach wollen sich Studenten, Hochschullehrer, Erzieher und Lehrkräfte aller Schularten auf dem Residenzplatz zu einem Demonstrationszug formieren.

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hat seine Protestaktionen unter das Motto »Jetzt reicht's! Spart die Bildung nicht kaputt« gestellt. »Mit unserem Protest wollen wir die vielfältigen pädagogischen Leistungen an unseren Schulen bewusst machen. Insbesondere wollen wir gegen eine Politik kämpfen, die die schwierigen Lern- und Arbeitsbedingungen an den Schulen offensichtlich nicht mehr zur Kenntnis nimmt«, so der unterfränkische BLLV-Vorsitzende Gerhard Bleß.

Sparmaßnahmen zu Lasten der Qualität in den Schulen müsse die Staatsregierung zurücknehmen, lautet eine der Forderung der Lehrerverbände. Dazu zähle vor allem auch die geplante Arbeitszeiterhöhung. Es müsse endlich eine »wissenschaftlich fundierte Untersuchung zur Gesamtarbeitszeit von Lehrern« geben, forderte Bleß. Nur so könnten Vorurteile über die Lehrerarbeitszeit in der Öffentlichkeit ausgeräumt werden, ist sich der BLLV sicher. gufri