Zentrale Neuerungen an den Gymnasien:
Mehr Sprachen und Naturwissenschaften

GEW sieht neuen Lehrplan ab Schuljahr 2003/2004 als Chance und Risiko zugleich

Würzburg. Der Pisa-Test deckte unter anderem auf, dass deutsche Schüler der neunten Jahrgangsstufe so gut wie nichts mehr von dem wissen, was sie in der siebten Klasse gelernt haben. Dies soll sich mit dem neuen Lehrplan für das Gymnasium ändern. Grundkenntnisse sollen künftig stärker betont werden, der Stoff in den einzelnen Fächern soll »spiralförmig« aufeinander aufbauen. Damit wurden mit dem neuen Lehrplan Konsequenzen aus Pisa gezogen, erklärte Eugen Eder-Clouston, Vorsitzender der Landesfachgruppe Gymnasien der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern, in Würzburg.

Im Herbst kommenden Jahres wird der neue Lehrplan für das Gymnasium an den fünften Klassen eingeführt, von da an sollen sukzessive in allen anderen Jahrgangsstufen die neuen Lehrpläne umgesetzt werden, erläuterte der Geschichtslehrer. Mit dem neuen Lehrplan soll stures Auswendiglernen passé sein - es gehe viel stärker als bisher darum, dass Schüler neu erworbenes Wissen anwenden können.

Als positiv beurteilte es der Pädagoge, dass einer Vorgabe des bayerischen Landtags gemäß künftig 30 Prozent der zur Verfügung stehenden Zeit für Üben, Wiederholen und Vertiefen verwendet werden müsse. Dadurch, dass den Lehrern gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt werde, mehr Projekte anzugehen, werde das »effektive, nachhaltige Lernen« im Vergleich zum bisherigen Lehrplan verbessert.

Der neue Lehrplan verlange sowohl von Lehrern als auch von Schülern mehr Eigenaktivität. Schüler sollen im Unterricht Sozialkompetenzen, aber auch Präsentationstechniken erlernen. Lehrer erhalten größere Gestaltungsfreiheit, indem sie bei der Stoffvermittlung individuelle Schwerpunkte setzen dürfen.

Neues Fach: Natur und Technik

Da im Vergleich zu bisher weit weniger Details zur Stoffvermittlung vorgegeben werden und da ein stärker interaktiver Unterricht gefordert ist, werde der neue Lehrplan von einzelnen Lehrkräften jedoch auch als sehr anstrengend empfunden.

Zu den wichtigsten inhaltlichen Neuerungen zähle die Entscheidung, die zweite Fremdsprache künftig bereits in der sechsten Jahrgangsstufe einzuführen und - als Reaktion auf das schlechte Abschneiden deutscher Schüler in naturwissenschaftlichen Fächern beim Pisa-Test - ein stärkeres Gewicht auf Naturwissenschaften und Technik zu legen.

Im kommenden Schuljahr wird es erstmals das Fach »Natur und Technik« geben, durch das Biologie-, Erdkunde- und Physiklehrer Schülern der fünften Jahrgangsstufe die Themen Naturwissenschaft und Technik auf kindgerechte Weise näher bringen sollen. Alle Schüler der sechsten Klassen sollen in dieser Jahrgangsstufe Informatikunterricht erhalten, auch das Fach Chemie werde aufgewertet.

Insgesamt wird die Wochenstundenzahl im Gymnasium um sieben Unterrichtsstunden zunehmen - und dies, obwohl Bayern schon jetzt bundesweit an der Spitze stehe, was die Stundenzahl am Gymnasium betreffe. Die höhere Stundenzahl müsse mit der Einstellung neuer Lehrkräfte aufgefangen werden, forderte der GEW-Funktionär. Dabei könne es allerdings zu Engpässen in den Fächern Mathematik und Physik kommen, da hier voraussichtlich nicht genug Lehrer zur Verfügung stehen werden.

Kritisch zu bewerten sei, dass die Gewichtsverlagerung hin zu naturwissenschaftlichen und technischen Fächern zu Lasten des Unterrichtsfachs Deutsch gehe. Die Entscheidung für einen reduzierten Deutschunterricht widerspreche den Pisa-Ergebnissen. Zu befürchten sei ferner, dass sich der Leistungsdruck und die Auswahl am Gymnasium weiter erhöhe. Gerade Kinder aus sozial schwächeren Familien werden es nach Meinung der GEW damit noch schwerer haben, eine höhere Schulbildung zu erwerben.

pat