Gewerkschaft fordert Kindertagesstätten
künftig als Teil des Bildungssystems

GEW-Bundesvorsitzende Dr. Eva Maria Stange: »Rückenwind aus der Gesellschaft«

Aschaffenburg. Kindertagesstätten sollen künftig Teil des Bildungssystems werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert unter dem Motto »Bildung von Anfang an« für alle Kinder bis zum Schuleintritt ein von ausgebildeten Erziehern vermitteltes Lernprogramm. Vor dem Kreisverband Aschaffenburg stellte die Bundesvorsitzende Dr. Eva Maria Stange am Mittwochabend auch klar, dass der Besuch dieser Tagesstätten dann kostenfrei erfolgen müsse.

Dabei denke die Gewerkschaft nicht an einen festen Lehrplan mit fixen Unterrichtsstunden, möchte aber die Kinder auch schon in diesem Alter fördern. Voraussetzung sei die Schaffung zahlreicher neuer Ganztagesstätten und eine veränderte Ausbildung von Erziehern, die nach den Vorstellungen von Dr. Stange nur noch an Hochschulen erfolgen soll.

»Wir bekommen für diese Überlegungen derzeit viel Rückenwind aus der Gesellschaft«, sah sie Unterstützung beispielsweise bei Teilen der Wirtschaft, die sich durch verbesserte Betreuungsmöglichkeiten für Kinder mehr Frauen im Beruf erhofften.

Auch die derzeit wieder stark diskutierte Ganztagsschule sei prinzipiell eine alte Forderung der GEW. Wichtig sei aber, dass bei deren Einführung nicht nur Stunden umverteilt würden, sondern eine ganze neue »Rhythmisierung des Unterrichts« erfolgen müsse. Neue Konzepte sollten erarbeitet werden, die auch eine Abkehr von dem strengen 45-Minuten-Takt ermöglichten und einen ausgewogenen Wechsel zwischen Lern- und Entspannungsphasen schaffen.

»Außerdem wollen wir Ganztagsschulen nicht nur, wie derzeit in Bayern geplant, zuerst an Gymnasien und hier zur Förderung von Eliten, sondern auch und vor allem an Hauptschulen.«

»Eine Schule für alle«

Dr. Stange verneinte in Aschaffenburg Meldungen, wonach sich die Gewerkschaft auf ihrem Verbandstag in Lübeck von der Gesamtschule verabschiedet habe. »Ganz im Gegenteil: Mit dem Begriff ›Eine Schule für alle‹ wollen wir zurück zu den Wurzeln dessen, was eine Gesamtschule ausmacht.« Hintergrund der aktuellen Diskussion in der GEW: In 30 Jahren sei es nicht gelungen, die Gesamtschule als ersetzende Schulform zu etablieren. Außerdem gäbe es in den neuen wie auch in einigen westlichen Bundesländern mittlerweile schon teilintegrierte Systeme von Haupt- und Realschulen.

Mit dem jetzt gewählten Begriff glaubt Dr. Stange an neue Initiativen. Jeder Lehrer könne an jeder Schule und in jedem Bundesland, unabhängig von der politischen Konstellation, einzelne Schritte in Richtung von Gesamtschulideen unternehmen. Dazu zählen nach den Angaben der Bundesvorsitzenden vor allem solche Schulformen, die ein längeres gemeinsames Lernen von Kindern unterstützen, aber auch die Integration von Behinderten, unabhängig von der Schulform. Chancengleichheit, Demokratisierung, Integration und solidarische Gestaltung des Miteinanders seien die grundlegende Philosophie der Gesamtschule. »Der neue Slogan bringt uns da entscheidend weiter«, hofft Dr. Stange.

In Aschaffenburg kündigte sie an, dass die GEW in Kürze mit einer großen Aktion für einen Abbau der Pflichtstundenzahl für Lehrer kämpfen wolle. Allerdings zeigte sie sich skeptisch, ob der Gewerkschaft eine bundesweit nachhaltige Kampagne gelingen werde. Sei die Reduzierung der Pflichtstunden erreicht, wolle man in einem weiteren Schritt auch über neue Arbeitszeitmodelle reden. Dabei sollte alle Arbeit der Lehrer, also auch Vor- und Nachbereitung des Unterrichts zu Hause, transparent gemacht und gezählt werden.

»Die Arbeitszeit der Lehrer muss in den Rahmen dessen passen, was im öffentlichen Dienst üblich ist«, sei das Ziel der Gewerkschaft. Nur mit einer akzeptablen Arbeitszeit, so Dr. Stange, sei eine hohe Unterrichts- und damit Bildungsqualität zu ermöglichen.klg


MAIN-ECHO Lokales - Heimat - Donnerstag, 21.06.2001 23:51