Würzburg. In
Ländern, in denen es keine Integrationspolitik gibt, ist die
Fremdenfeindlichkeit besonders stark ausgeprägt. Deutschland gehört nach
Ansicht von Professor Dr. Reinhard Kühnl zu diesen Ländern. Der derzeitige
Rechtsextremismus in der Bundesrepublik wurde nach Ansicht des Marburger
Politikwissenschaftlers nicht zuletzt von der über Jahrzehnte ausgegebenen
Parole geschürt: »Deutschland sei kein Einwanderungsland.«
Bei dem aktuellen Rechtsextremismus handele es
sich keineswegs um eine erst in den vergangenen Jahren entstandene »Aufwallung
des Volkszorns«, erklärte Kühnl während einer von der Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft (GEW) an der Universität Würzburg organisierten
Veranstaltung. Aktuelle Nahrung erhielten die »Streetfighter der extremen
Rechten« allerdings durch Parolen wie jene: »Ich bin stolz, ein Deutscher zu
sein.«
»Den Ausländern die Schuld gegeben«
Durch die These von Deutschland als einem
Nicht-Einwanderungsland seien die inzwischen acht Millionen Einwanderer seitens
der Politik lange Zeit verbal »in die zweite Reihe« geschoben worden. Dem Volk
sei versichert worden, dass diese Menschen nicht zur Gemeinschaft gehören und
auch nie dazugehören werden. Die Politiker hätten außerdem den Eindruck
erweckt, dass es die Ausländer seien, die den Arbeitsmarkt belasten. »Ihnen
wurde somit die Schuld gegeben an den sozialen Problemen im Land.«
Ein weiterer Grund für die aktuell steigenden
rechtsextremen Ausschreitungen liegt nach Ansicht des Marburger Forschers darin,
dass Jugendlichen über die Medien Gewalt als ein probates, in weiten Bevölkerungskreisen
akzeptiertes Mittel der Konfliktlösung aufgezeigt werde. Vor allem Jugendliche
aus den neuen Bundesländern, deren nach der Wende geäußerte Hoffnung auf ein
Leben in Sicherheit enttäuscht worden sei, erführen, dass Gewaltanwendung
Erfolg habe.
Die Kluft zwischen Reich und Arm tut nach Ansicht
des Forschers ein Übriges, um den sich im Extremismus ausdrückenden Unmut zu
schüren. Während es auf der einen Seite immer mehr Millionäre in Deutschland
gebe, lebten inzwischen »20 Prozent der Bundesbürger unter der Armutsgrenze«.
Waren es bei einer Umfrage nach dem Fall der Mauer noch 94 Prozent der jungen
Menschen in Ostdeutschland, die ihre soziale Zukunft für gesichert hielten,
seien es derzeit nur noch 15 Prozent.
Hauptverantwortlich für den derzeitigen Anstieg
der Gewalt aus der rechten Szene ist nach Kühnls Analysen ein wirtschaftliches
System, das in großem Ausmaß Opfer fordere – die so genannten »Modernisierungsverlierer«.
Um den »Standort Deutschland« nicht zu gefährden, würden zunehmend soziale
Rechte geschwächt, meint der Forscher. Diese Zusammenhänge würden den Bürgern
jedoch nicht vermittelt. Nach wie vor seien es die Fremden, denen die Schuld für
soziale Missstände gegeben werde.
Preis mit 250 Euro
Als Beitrag zum Kampf gegen Rechtsradikalismus
und Rassismus beschloss die Bezirksdelegiertenversammlung der GEW Unterfranken,
einen Preis »Aktiv gegen rechts – Projekte für Demokratie, gegen Rassismus
und Gewalt« zu stiften. Der Preis richtet sich an Schüler, aber auch an
Jugendliche in der offenen Jugendarbeit und in Vereinen. Prämiert werden zum
Beispiel Projekte, die sich mit Fremden beschäftigen, sowie Solidaritäts- und
Streitschlichtungs-Kampagnen.
Für das interessanteste Projekt hat die
Gewerkschaft einen mit 250 Euro dotierten Preis ausgeschrieben. Bewerbungen
nehmen die GEW-Kreisvorstände entgegen, Einsendeschluss ist der 31. Juli des
kommenden Jahres.