Die Volksschulen wollen nicht das Opfer
der neuen sechsstufigen Realschule sein

Massiver Lehrerprotest aus Unterfranken gegen Einführung der Arbeitszeitkonten

Würzburg. »Unterfrankens Lehrer sind kampfbereit wie nie«, sagt Rudolf Brandenstein, der stellvertretende Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Der Unmut der Pädagogen entzündete sich an der »Zwangsverpflichtung zur Mehrarbeit ohne Bezahlung«. Viele Lehrer aus der Region haben bereits Widerspruch eingelegt gegen die Arbeitszeitkonten, die in der Grundschule eingerichtet wurden.

Die Widersprüche waren bisher zwar juristisch erfolgreich, die Regierung verpflichtete die protestierenden Lehrer dennoch, eine Stunde wöchentlich mehr zu arbeiten. Angeblich, um den »Schülerberg« abzubauen. Gegen diese Verpflichtung zur Mehrarbeit klagen derzeit drei unterfränkische Lehrer. Christine Strätz, Lehrerin an einer Grundschule im Kreis Würzburg, die ebenfalls Widerspruch einlegte, wartet gespannt auf das Ergebnis der Klagen.

Erhebliche Mehrbelastung

»Auf meinen Widerspruch hin gestand man mir zu, dass die eine Stunde für mich eine Mehrbelastung bedeutet«, berichtet Strätz. »Ich bekam diese Stunde jedoch nicht erlassen. Es hieß, es könnte der geordnete Ablauf des Unterrichts an unserer Schule gefährdet werden.« In der Zusatzstunde hält Strätz Förderunterricht in einer ihr fremden Klasse. Für sie ist das absurd: »Ich habe die Schüler dort noch nie gesehen. Wie soll ich sie dann in Deutsch oder Mathematik fördern können?«

Walter Bausenwein, Hauptschullehrer an der Volksschule in Unterpleichfeld (Kreis Würzburg), empfindet die Einrichtung von Arbeitszeitkonten als Zumutung, weil Lehrer inzwischen ohnehin überlastet seien durch die zahlreichen Aufgaben, die ihnen im Lauf der Jahre übertragen wurden – Drogenprävention oder Medienerziehung zum Beispiel. Berücksichtigt werden müsse auch, dass die Schüler immer schwieriger werden. Außerdem seien viele Klassen noch immer zu groß.

Keine Zeit für Kooperation

Der neue Grundschullehrplan verlange schließlich, dass Lehrer stärker als bisher kooperieren sollen. Dafür ist laut Bausenwein durch die Einführung der Arbeitszeitkonten weniger Zeit denn je. Zeit werde auch benötigt, um sich mit einem Kind auseinander zu setzen, das aktuell Probleme habe. Wer aber täglich von 8 bis 13 Uhr Unterricht halte, könne diese Zeit nicht aufwenden. Insgesamt müssen Grundschullehrer momentan 29 Stunden Unterrich in der Woche halten.

»Wenn es eine echte Notsituation gäbe, wären wir Lehrer bereit, mehr zu arbeiten«, betont Brandenstein. Nach Ansicht des Gewerkschafters geht es bei der Einführung der auf fünf Jahre angelegten Arbeitszeitkonten aber nicht darum, einen bestehenden Schülerberg zu bewältigen. Die Staatsregierung wolle vielmehr in der Grund- und Hauptschule Geld einsparen, um die sechsstufige Realschule zu finanzieren. Gegen deren Einführung hatte die GEW jedoch scharf protestiert.

Insgesamt sieht der Plan der Staatsregierung vor, dass zunächst die Lehrer in der Grundschule ab dem kommenden Schuljahr und außerdem die Lehrer an den Haupt- und Realschulen fünf Jahre lang eine Stunde mehr arbeiten sollen, ohne dafür bezahlt zu werden. Danach soll drei Jahre lang das reguläre Pensum geschafft werden, bevor den Lehrern das Arbeitszeitkonto zugute kommt: In acht Jahren soll sich die Arbeitszeit um eine Unterrichtsstunde pro Woche verkürzen.

Nachdem sich das Durchschnittsalter der unterfränkischen Volksschullehrer dem 50. Lebensjahr nähert und viele Lehrer wegen des »Burn-out-Syndroms« vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden, profitieren nicht alle von der Vergünstigung nach acht Jahren. Wer jedoch das Arbeitszeitkonto ausgezahlt bekommt, weil er nicht mehr im Dienst ist, macht Brandenstein zufolge ein Minusgeschäft. Vergütet werde nämlich nicht das normale Salär, sondern höchstens ein Drittel davon.

Lehrermangel in Volksschulen

Die GEW Unterfranken weist im Zusammenhang mit den Arbeitszeitkonten darauf hin, dass in den Grund- und Hauptschulen ohnehin ein Lehrermangel besteht. So gibt es Brandenstein zufolge schon wenige Monate nach dem Beginn des neuen Schuljahres in den Hauptschulen der Region keine mobile Reserve mehr – alle Vertretungslehrer seien dann bereits im Einsatz. Die GEW fordert deshalb von der Regierung: Mehr Lehrer einstellen statt Arbeitszeitkonten einrichten. pat