Zur
aktuellen Entwicklung in der Schulpolitik hat der bayerische
Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW),
Schorsch Wiesmaier, auf einer Veranstaltung des GEW-Kreisverbandes
Aschaffenburg-Miltenberg im Gewerkschaftshaus Aschaffenburg Stellung
bezogen. Bezug nehmend auf die Erklärung der bayerischen
Kultusministerin Monika Hohlmeier, die innere Schulentwicklung sei »das
wichtigste und zugleich interessanteste Thema dieses Schuljahres und
auch der folgenden Jahre«, sagte Wiesmaier: »Die Erklärung der
Kultusministerin und die tatsächliche Entwicklung zum neuen Schuljahr
stehen im deutlichen Widerspruch zueinander.«
Während zum Beispiel die durchschnittlichen Klassenstärken im
Volksschulbereich in etwa auf ihrem hohen Niveau geblieben seien,
stiegen sie an den weiterführenden Schulen und auch an den Förderschulen
an. Die neu geschaffene »R6« (die sechsstufige Realschule) glänze in
den Eingangsklassen sogar mit einem Durchschnitt von 29 Schülern. »Auf
innere Schulentwicklung zu setzen und gleichzeitig die
durchschnittlichen Klassenstärken weiter zu erhöhen, passt einfach
nicht zusammen«, sagte Wiesmaier.
Der Hinweis Hohlmeiers auf die große Zahl von neu eingestellten
Lehrerinnen und Lehrern für das Schuljahr 2000/01 sei eine »schönfärberische
Darstellung«. Bei den Einstellungen handele es sich überwiegend um die
Deckung des Ersatzbedarfs. Von 8800 Bewerbungen für den Schuldienst
seien nur etwa 50 Prozent in Verträge umgewandelt worden, etwa 840
lediglich befristet.
Die neuerliche Auseinandersetzung der Arbeitgeber mit dem Thema
Bildung begrüßte Wiesmaier. Die GEW fordere schon lange die »grundlegende
Reform der deutschen Bildungspolitik«, wie sie der Präsident der
deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, in einer Rede im Sommer
angemahnt hatte. Wiesmaier warnte jedoch vor den von Hundt formulierten
Kernpunkten der Reformen zu »mehr unternehmerischem Denken, Planen und
Handeln an den Schulen und Hochschulen«. Die so angestrebte Ausrichtung
der Schule laufe Gefahr, auf Grund von unternehmerischen Interessen und
Vorstellungen zu noch mehr Konkurrenz und noch stärkerer Auslese zu führen.
»Keine Rücksicht genommen«
In der Diskussion ging es um aktuelle Probleme an Schulen. Die Einführung
der R6 zeige schon jetzt deutliche Auswirkungen an Hauptschulen im
Landkreis Aschaffenburg, berichtete Eberhard Rauch, stellvertretender
Vorsitzender der GEW Aschaffenburg-Miltenberg, und Mitglied des örtlichen
Personalrats.
Auf Grund wegfallender Klassen habe es etliche Versetzungen im
Schulamtsbezirk gegeben, bei denen keine Rücksicht auf Qualifikationen
oder persönliche Hintergründe der versetzten Lehrer gelegt wurden.
Teilweise seien sogar Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes nicht
beachtet worden.
Als Besorgnis erregend werde von Hauptschullehrern gewertet, dass
ihre Unterrichtseinsatz zunehmend willkürlicher und ohne
nachvollziehbare
Überlegungen erfolge. So müssten
Lehrer oft fachfremd im kaufmännisch-bürotechnischen oder im
gewerblich-technischen Bereich unterrichten, während ihre schon durch
jahrelange Praxis in diesen Fächern qualifizierten Kollegen dort nicht
eingesetzt würden. »Auf diese Weise wird die Motivation engagierter
Lehrerinnen und Lehrer nachhaltig beschädigt.«
Als völlig unverständlich wurde die Praxis im Englisch-Unterricht
der Grundschulen bezeichnet. Zur Unterrichtung in diesem neu
eingerichteten Schulfach wurde vom bayerischen Kultusministerium die Hürde
so genannter Kompetenz-Prüfungen geschaffen. Die dafür notwendigen flächendeckenden
Fortbildungen würden allerdings nur unzureichend angeboten.
So ergebe sich nach Angaben von Betroffenen die »groteske Situation«,
dass ihre jahrelange Praxis im Englischunterricht an der Hauptschule und
bei der Abnahme des Qualifizierten Hauptschulabschlusses in diesem Fach
für die Grundschule als »nicht ausreichend« gewertet werde.
An der Hauptschule dürften sie zwar weiterhin Englisch unterrichten,
in der Grundschule werde ihnen dies aber verwehrt. Zahlreiche für
Englisch bereitgestellte Stunden würden deshalb an den Grundschulenüberhaupt
nicht genutzt.
Wiesmaier: »Hier wird sichtbar, dass es nicht reicht, den
motivierten, gut ausgebildeten Lehrer mit hoher Eigenverantwortung zu
fordern. Es müssen auch die Rahmenbedingungen und weitgehende Hilfen
geschaffen werden.»