MAIN-NETZ, 30.03.2011 00:00 Uhr
Voneinander und miteinander lernen
Nun soll also endlich auch in
Deutschland - allen voran in Bayern! - die UN-Konvention umgesetzt
werden und auch behinderten Kindern uneingeschränkt Zugang zu
unserem Bildungswesen ermöglicht werden. Zur Ideensammlung für die
Umsetzung sind Politiker immer wieder in Länder gefahren, die diese
sogenannte Inklusion schon längst und auch erfolgreich
praktizieren.
Leider brachten sie von dort immer wieder nur solche Vorschläge
mit, die möglichst wenig Geld kosten und am bestehenden System ja
nicht viel verändern. Auch ich kam in den Genuss, vor einigen
Jahren in einem Land, nämlich Norwegen, ein inklusives Schulsystem
erleben zu dürfen. Am folgenden Beispiel möge sich jeder selbst
seine Gedanken machen: In dem kleinen Dorf Nordkjosbotn nördlich
des Polarkreises in der Gemeinde Tromsö wurde vor nun knapp 16
Jahren ein Mädchen mit einer schwersten Mehrfachbehinderung
geboren. Schon kurz darauf wurde begonnen, das Schulhaus
behindertengerecht aus- und umzubauen mit Lift und den in Zukunft
entsprechend nötig werdenden Therapieräumen, denn es war klar,
dass dieses Kind selbstverständlich mit allen Kindern seines
wohnlichen Umfeldes eine gemeinsame Schule besuchen würde - und das
von Anfang an und natürlich bis zum Ende der Schulzeit.
Bei meinem Besuch 2004 war das Mädchen in der 3. Klasse. Dort
unterrichteten permanent zwei Lehrkräfte, teilweise mit
Spezialausbildung. Weitere Helfer und Betreuer gab es nach Bedarf.
Mit großer Freude und Selbstverständlichkeit gingen die
Mitschüler mit dem Mädchen um. Es wurde gemeinsam mit dem
Rollstuhl durch die Gänge gesaust, dann wieder der Speichel vom
Mund abgewischt, zusammen gelacht und gelernt.
Jeder voneinander, miteinander und eben ganz individuell nach den
eigenen Fähigkeiten. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass sich
nach der 4. Klasse die Wege trennen könnten und in einer anderen
Schule, an einem anderen Ort und mit völlig neuen Mitschülern
weitergelebt und gelernt worden wäre. So kommt es, dass dieses
Mädchen heute aktuell mit denselben Kindern fröhlich wie vor
sieben Jahren in der 10. Klasse sitzt - zu sehen auf dem
Klassenfoto, das gerne jeder unter dieser Adresse anschauen kann: www.nordkjosbotn.skole.no/index.php?pageID=55&;page=10.+klasse
Könnte das eventuell nicht eher mit Inklusion gemeint sein?
Übrigens: In Norwegen erreichen fast doppelt so viele Schüler wie
in Bayern die Studierfähigkeit. In Bayern wird etwa halb so viel
Geld für Bildung ausgegeben wie in Norwegen.
Isabella Zang, Lehrerin, Volkersbrunner Weg 13, Heimbuchenthal
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